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Nach tödlichem Kutschunfall im Saalekreis Nach tödlichem Kutschunfall im Saalekreis: Wie sicher sind Kutschen?

Von Oliver Müller-Lorey 14.04.2017, 11:38
Uwe Ulrich betreibt in Halle Nietleben einen Reit- und Fuhrbetrieb mit 11 Pferden, vier Kutschen und weiteren Wagen.
Uwe Ulrich betreibt in Halle Nietleben einen Reit- und Fuhrbetrieb mit 11 Pferden, vier Kutschen und weiteren Wagen. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Eine Kutschfahrt - das klingt nach Romantik, nach Natur, nach Tradition. Doch das uralte Fortbewegungsmittel hat auch eine dunkle Seite, wie sich am vorletzten Wochenende gezeigt hat.

Im Grenzgebiet zwischen Saale- und Kyffhäuserkreis (Thüringen) starb eine Frau bei einem Kutschunfall. Sie und ihr Mann, der sich schwere Verletzungen zuzog, waren vom Bock geschleudert worden, nachdem die Pferde auf einem abschüssigen Waldweg durchgegangen waren. Die Tierschutzorganisation Peta forderte daraufhin ein Verbot von Pferdekutschen im Saalekreis.

Nach tödlichem Kutschunfall im Saalekreis: Wie sicher ist Kutschfahren?

Wie sicher ist also das Fahren mit Kutschen? Eine der das wissen muss, ist Uwe Ulrich, der in Halle Nietleben einen Reit- und Fuhrbetrieb leitet. 11 Pferde, vier Kutschen und weitere Wagen nennt er sein Eigen. Er wird zum Beispiel von Hochzeitspaaren gebucht, fährt mit seinen Gespannen über Feldwege, aber auch gewöhnliche Straßen mit Autoverkehr. Das ist alles andere als ungefährlich.

„Ich schätze, jeder 100. Autofahrer macht irgendeinen Mist. Da wird nah an die Pferde herangefahren, an unserem Kremser haben wir Blinker, die nimmt niemand für voll“, erzählt der 46-Jährige. Auch das Überholen in schwer einsehbaren Kurven sei ein Problem.

Kutschen werden vom TÜV abgenommen - Pferde tragen Warnkleidung

Dabei sorgt Ulrich schon für so viel Sicherheit wie möglich. Seine Pferde sind im Einsatz mit reflektierenden Westen und Bändern angezogen. Sogar reflektierende neongelbe Ohrenschützer gibt es für die Tiere. Die Kutschen, die mit batteriebetriebenen Lampen und Kerzen hell erleuchtet sind, werden alle zwei Jahre vom Tüv genau unter die Lupe genommen - wie Autos auch.

Von dem Unfall im Saalekreis hat Uwe Ulrich gehört, doch Unfälle würden nun mal passieren, auch mit Autos. Ein Verbot, mit Kutschen zu fahren, hält Ulrich daher für Unsinn.

Kutscher aus Halle sieht Nachholbedarf bei Ausbildung

Nachholbedarf sieht er trotzdem - und zwar bei den Kutschern. Zwar gebe es bereits so genannte Fahrabzeichen und Gespannführerscheine. Während die Fahrabzeichen vor allem im sportlichen Bereich gebräuchlich sind, sollten gewerbliche Kutscher eigentlich besagten Gespannführerschein besitzen. „Das ist aber ein großes Dunkelfeld. Viele Versicherungen fragen nicht danach. Außerdem gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für eine Haftpflichtversicherung“, bemängelt er.

„Ein Führerschein sollte verpflichtend sein und er müsste reformiert werden. Mehr Inhalte aus dem Straßenverkehr und nicht nur aus dem Sport“, ist Ulrich überzeugt.

Und tatsächlich tut sich in Sachen Kutschenführerschein etwas. Laut Deutscher Reiterlicher Vereinigung ist die Einführung eines Kutschenführerscheins zum 1. Juni hin beschlossen. Diesen soll es in zwei Ausführungen für private und gewerbliche Fahrer geben.

Kutschwagen bergen Herausforderungen

Bei dem Unfall im Saalekreis ist unklar, um welche Art von Kutsche es sich gehandelt hat. Laut Ulrich gibt es bei den verschiedenen Modellen große Unterschiede. Während die schweren Hochzeitskutschen eher gemächlich fahren und stabiler sind, hat er auch eine Art Rennwagen- einen sogenannten Marathon-Wagen. „Das ist ein ziemlich kurzes Fahrzeug mit Scheibenbremsen. Alleine fahren ist riskant“, sagt der Kutscher und erklärt warum.

Am besten fahre man zu zweit oder noch besser zu dritt um auch die Hinterachse zu belasten. Andernfalls könne es beim Bremsen zu einem Überschlag kommen - mit fatalen Folgen für den Kutscher und auch die betroffenen Pferde.

Die Stadt indes plant, genau wie der Saalekreis, kein generelles Verbot für Kutschen, wie die Tierschützer es fordern. So hofft Uwe Ulrich weiterhin, dass Autofahrer ihm auf der Straße rücksichtsvoll begegnen. (mz)