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MZ-Sommerinterview mit Bernd Wiegand MZ-Sommerinterview mit Bernd Wiegand: Suchen Sie Streit, Herr Oberbürgermeister?

19.08.2017, 07:00
Bernd Wiegand
Bernd Wiegand Bernd Wiegand

Halle (Saale) - Kennt dieser Mann nur den Arbeitsmodus? Für Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) existiert das Sommerloch nicht. Wie gewohnt drückt der 60-Jährige gewaltig auf die Tube. Im Sommerinterview mit MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak spricht der OB neben den aktuellen Themen auch über sein Verhältnis zum Stadtrat und über seine ganz spezielle Art, Entspannung zu finden.

Wurmt es Sie, dass das Land hinter dem Rücken der Stadt über den Verkauf des Maritims verhandelt?
Bernd Wiegand: Der Eigentümer kann mit seinem Grund und Boden machen, was er will. Natürlich ist das ein markanter Ort. Ich habe deutlich gemacht: Städtebauliches Ziel ist die Nutzung des Grundstücks für ein Hotel- und Kongresszentrum. Ein Studentenwohnheim an dieser Stelle werden wir nicht unterstützen. Wir prüfen, ob wir unser Vorkaufsrecht wahrnehmen.

Unübersichtlich ist derzeit die rechtliche Wertung des Bürgerbegehrens zur Hochhausscheibe. Wie geht es weiter?
Wiegand: So unübersichtlich ist es doch gar nicht. Wir haben unsere Stellungnahme zu den Anmerkungen des Landesverwaltungsamtes jetzt eingereicht. Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hat deutlich gemacht, dass die Bedenken der Kommunalaufsicht rechtlich nicht haltbar sind. Wir gehen also sehr gut vorbereitet in diese Diskussion.

Das Zentrum in Halle-Neustadt darf von der positiven Entwicklung in der Stadt nicht abgehängt werden: fünf Türme, fünf Scheiben. Die Reaktivierung der Scheibe wäre für Halle-Neustadt und sein Zentrum ein wichtiger Impuls. Dafür werde ich mich gemeinsam mit dem Halle-Neustadt Verein und vielen Bürgern weiter einsetzen. Es gibt keinen Grund, die Vorbereitungen für den Bürgerentscheid am 24. September zu stoppen.

Anfang August haben Sie mit der Botschaft überrascht, dass Sie das Bildungsbauprogramm erweitern wollen. Dafür gab es viel Lob. Aber auch Kritik aus Teilen des Stadtrats. Dort wirft man Ihnen vor, mit diesen Alleingängen den Rat zu brüskieren.
Wiegand: Es ist meine Aufgabe, dem Stadtrat Vorschläge zur Weiterentwicklung unserer Stadt zu machen. Auch die Fraktionen bringen ihre Ideen und Anliegen ein. Anschließend wird darüber diskutiert und entschieden. Durch den konsequenten Ausbau von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft haben wir es gemeinsam geschafft, dass die Stadt Halle wieder wächst, entgegen der Prognosen aus dem Jahr 2012.

Und auch die Zahl der Kinder steigt. Die Stadt hat jetzt die Möglichkeit, den Investitionsstau an Schulen und Kitas aufzulösen und zugleich neue Einrichtungen zu bauen. Die aktuell guten Investitionsbedingungen fördern solche Überlegungen, insbesondere das niedrige Zinsniveau. Die Finanzierung steht unter dem Vorbehalt der Haushaltsbeschlüsse des Stadtrates.

Die Wählergruppierung Hauptsache Halle, die Sie seinerzeit im OB-Wahlkampf unterstützte, wird 2019 vielleicht bei den Stadtratswahlen antreten. Suchen Sie eine Allianz für den Fall, dass Sie noch einmal gewählt werden?
Wiegand: Es sind viele Hallenser mit dem Wunsch an mich herangetreten, Hauptsache Halle als Wählergruppierung zur Stadtratswahl antreten zu lassen. Wir werden deshalb darüber nachdenken und bis Ende dieses Jahres eine Entscheidung treffen.

Sie könnten es wie Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper machen und in die SPD zurückkehren.
Wiegand: Das kommt für mich nicht in Betracht. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion konzentriert sich seit Beginn meiner Amtszeit im Wesentlichen darauf, Intrigen zu spinnen, anstatt mit konkreten Projekten unsere Stadt voranzubringen. Er versucht, das Landesverwaltungsamt zu beeinflussen. Viele SPD-Mitglieder kommen wohl auch deshalb direkt auf mich zu.

Dennoch liegen Sie oft mit der Mehrheit des Stadtrats über Kreuz. Andere bekämen bei dem Ärger Magengeschwüre.
Wiegand: Das ist doch nicht nur in Halle so, in anderen Großstädten wie Leipzig gibt es ähnliche Diskussionen. Das ist das politische Geschäft. Wir ringen um die besten Lösungen für unsere Stadt. Das ist der Auftrag, den das Gesetz den Organen Stadtrat und Oberbürgermeister mit auf den Weg gegeben hat. Wenn Sie sich die Stadtratssitzungen der vergangenen Monate anschauen, haben wir gemeinsam viele wichtige Beschlüsse gefasst. Es macht mir Spaß, für eine gute Idee zu kämpfen. Das schafft aber auch Neid.

Als parteiloser OB könnten Sie sich aber Mehrheiten organisieren. Dann wäre vieles leichter. Dafür müssten Sie auf die Leute zugehen. Es heißt, so etwas könnten Sie nicht.
Wiegand: Ich arbeite sehr gut mit vielen Stadträten aus allen Fraktionen zusammen. Auch in den Aufsichtsräten unserer Beteiligungen wird sehr sachlich gearbeitet. Dass die Fraktionen einem parteilosen OB öffentlich Beifall klatschen, wird es nicht geben.

Beifall ist ein gutes Stichwort. Den bekommen Sie aus der Fan-Szene des HFC nicht. Was wird aus dem Fanprojekt?
Wiegand: Die Debatte bezieht sich auf eine Person von insgesamt drei Mitarbeitern. Das ist eine interne Personalie. Die Fans bestimmen nicht den Sozialarbeiter. Das Projekt läuft unabhängig, und damit halten wir uns an die Vorgaben des DFB. Wir wollen ein familienfreundliches Stadion. Davon sind wir noch weit entfernt. Das Fanprojekt ist wichtig, doch gewalttätige Fans müssen von den Gerichten bestraft werden. Das ist ein bundesweites Thema.

Und wann stellen Sie den neuen Leiter des Fanprojekts vor?
Wiegand: Der Koordinator des Fanprojekts stellt den neuen Leiter Anfang September vor.

Und was machen Sie, wenn die Fan-Gruppierungen diese Personalie nicht akzeptieren?
Wiegand: Es geht nicht um eine Gruppierung, das Projekt bietet im Rahmen der Jugendhilfe Unterstützung für jugendliche Fußballfans an. Wir werden das Fanprojekt weiterführen und auch das Fanhaus weiter anbieten.

Anderes Thema, der Haushalt. Im September wollen Sie den Etat in den Stadtrat einbringen. Wie sind die Eckdaten?
Wiegand: Die Verwaltung wird dem Stadtrat auch für das Jahr 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Dabei ist das Thema Bildung nach wie vor Schwerpunkt der kommunalen Investitionen, also die Sanierung und der Neubau von Schulen und Kitas. Ich bin offen, wenn Fraktionen andere Schwerpunkte setzen wollen. Aber dann muss von ihnen auch das Geld an anderer Stelle reduziert werden. Immer mehr – das geht nicht. Einen Nachschlag von vier Millionen Euro wie bei der letzten Haushaltsberatung können wir uns nicht erlauben.

Müssen Sie aufpassen, dass der Kassenkredit nicht explodiert? Die Bertelsmann-Stiftung spricht von einem gravierenden Niveau, den dieser Dispo-Kredit in Halle hat.
Wiegand: Wir haben von der Kommunalaufsicht klare Vorgaben, dass die Kredite regelmäßig zu reduzieren sind. Das halten wir ein.

Sie gelten als Workaholic, der sich keinen zusammenhängenden Urlaub gönnt. Selbst die Kanzlerin macht Urlaub.
Wiegand: Ich hatte in den vergangenen Wochen viele erholsame Tage, ich habe Fortbildungen besucht und Anregungen für neue Ideen bekommen. Außerdem kann ich auch nach langen Tagen schnell abschalten. Und wir sind ein gutes Team: die Mitarbeiter in meinem Büro, die Beigeordneten und Fachbereichsleiter mit ihren Teams. Ich werde von ihnen sehr gut unterstützt.

Welche Lieblingsorte haben Sie in Halle außer der Dölauer Heide, in der Sie regelmäßig joggen sind?
Wiegand: Da gibt es einige. Die Kleine Ulrichstraße etwa. Das Bootshaus 5, das Heidebad. Die Stadt ist abwechslungsreich. Halle entwickelt sich rasend schnell. Das zeigt die Zahl der Investoren, die sich für die Stadt interessieren.

Wie beurteilt der OB den Verlauf des Prozesses gegen sich am Landgericht Magdeburg?
Wiegand: Immer deutlicher wird, was ich stets gesagt habe: Es ist ein rein politisch motivierter Prozess gegen einen parteiunabhängigen Oberbürgermeister. Im Übrigen überlasse ich die Bewertung die MZ, und die ist offenbar schon seit langem festgelegt.

(mz)

Bernd Wiegand, Oberbürgermeister von Halle
Bernd Wiegand, Oberbürgermeister von Halle
Bernd Wiegand