Mordkommission "Neuwerk" Mordkommission "Neuwerk": Keine Spur zu Mariyas Mörder

Halle (Saale) - Eine junge Studentin wird Anfang Februar in Halle beim Joggen abgefangen, vergewaltigt und ermordet. Ihre Leiche finden Passanten einen Tag später im Mühlgraben. Alle Ermittlungen der Polizei laufen ins Leere. Der Fall ist bis heute Thema in der Saalestadt. Über ihn und die Ermittlungen hat MZ-Redakteur Jan Möbius mit dem Leiter der Mordkommission „Neuwerk“, Holger Jungklaus, gesprochen.
Die wichtigste Frage natürlich vornweg: Haben Sie eine Spur?
Jungklaus: Nein. Unser Schwerpunkt liegt weiter auf dem Auswerten der abgegebenen DNA-Proben. Bis jetzt haben sich daran 1.800 Personen beteiligt. Etwa 1.000 werden von uns noch eingeladen. Wir bekommen bei den Befragungen immer wieder auch Hinweise auf Personen, die sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Tatortes aufgehalten haben. Sportler etwa. Es wäre töricht, die außen vor zu lassen.
Alle Männer, die zur Speichelabgabe eingeladen wurden, sind auch gekommen?
Jungklaus: Um es genau zu sagen: 99 Prozent. Wenn wir im Detail erklären was wir machen, auch, dass die Proben definitiv vernichtet und anonymisiert untersucht werden, ist die Bereitschaft sehr hoch.
Wird des Speichelproben per Zwang geben?
Jungklaus: Nein. So weit sind wir noch nicht. Wir schauen natürlich, welche Gründe es bei den wenigen Verweigerungen gibt.
Hatten Sie in den vergangenen Monaten schon einmal das Gefühl, ganz dicht am Täter zu sein?
Jungklaus: Bis jetzt noch nicht. Deshalb nutzen wir auch alle Ermittlungsmöglichkeiten. Wir vergleichen Fälle im ganzen Bundesgebiet mit ähnlicher Vorgehensweise. Dabei bekommt man hin und wieder das Gefühl, dass es passen könnte. Einige Sachen sind in dieser Hinsicht derzeit noch offen, die wir aktuell überprüfen. Da besteht vielleicht die Möglichkeit, dass wir dem Täter näher kommen.
Ermitteln Sie eigentlich nur in Deutschland? Oder sind auch internationale Behörden einbezogen?
Jungklaus: Natürlich. Euro- und Interpol sind so involviert, dass sie auf die Spuren, also die DNA, von der wir überzeugt sind, dass sie vom Täter stammt, zugreifen können. Die Daten werden mit internationalen Fällen abgeglichen.
Es gab Vorwürfe gegen die Polizei. Unter anderem sei die Obduktion zu spät erfolgt. Kamen die Verzögerungen dem Täter zugute?
Holger Jungklaus, der Leiter der Mordkommission „Neuwerk“, hat 1988 bei der Polizei angefangen. Der heute 48-Jährige war damals im Streifendienst eingesetzt.
Von 1992 bis 1995 absolvierte Jungklaus ein Studium an der Hochschule der Polizei in Aschersleben. Er durchlief danach verschiedene Stationen - unter anderem im Lage- und Führungszentrum und im Polizeistab bei großen Einsätzen.
Im Jahr 1999 kam er schließlich zur Kriminalpolizei. Heute arbeitet Jungklaus im Fachkommissariat zwei (FK 2) der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, die ihren Sitz in Halle an der Merseburger Straße hat. Das FK 2 kümmert sich um Kapitalverbrechen. Mord, Totoschlag, schwere Sexualdelikte und die Ursachensuche nach Großbränden gehören zu den Aufgaben der Abteilung.
Zu Jungklaus’ Fällen, die Schlagzeilen machten, gehört auch ein grausamer Mord in Sangerhausen. Eine Frau hatte dort 2009 ihren Ehemann mit elf Axthieben auf den Kopf getötet. Anschließend zerlegte sie mit einer Elektrosäge und einem Cuttermesser die Leiche, transportierte sie in elf Plastiksäcken auf dem Fahrrad in einen Kleingarten. Die Frau wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt (jam)
Jungklaus: Die Obduktion erfolgte nicht unmittelbar nach dem Auffinden des Opfers. Allerdings wurde der leblose Körper sichergestellt, so dass es keine Veränderung der Spurenlage gegeben haben kann. Die Spurensicherung am Tatort und am Fundort der Leiche erfolgte unmittelbar.
Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Jungklaus: Die meiste Zeit nehmen die DNA-Tests in Anspruch. Wir haben den größten Teil der Personen, die eingeladen werden, aus der Funkzellenauswertung. Die Leute müssen angerufen werden, wir erklären ihnen, um was es geht und laden sie zum Test ein. Ein Teil der Kollegen ist dafür zuständig, die Termine wahrzunehmen, die Speichelproben abzunehmen und nach weiteren Hinweisen zu fragen. Wir müssen Kontakt zu anderen Dienststellen im In- und Ausland aufnehmen, wenn Personen umgezogen sind. Hinzu kommt die Analyse der Informationen. Die Aktenarbeit ist auch ein wichtiger Bestandteil. Jede Kleinigkeit muss dokumentiert werden. Es ist derzeit sehr viel Büroarbeit.
Wurde die Tat als Totschlag oder als Mord eingestuft?
Jungklaus: Der Fall ist als Mord eingestuft worden. Sowohl durch die Staatsanwaltschaft als auch durch uns. Deshalb werden die Akten auch nie geschlossen. Mord verjährt nicht.
Haben Sie eine Vorstellung, nach welcher Art Täter Sie suchen?
Jungklaus: Wir gehen davon aus, dass er sich in Halle ausgekannt hat, eventuell sogar aus der Stadt stammt und nicht zufällig am Tatort war, ihn also kannte. Und wir gehen davon aus, dass er zwischen 20 und 40 Jahre alt ist. Ein detaillierteres Täterprofil ist kaum möglich.
Kannte der Mann Mariya?
Jungklaus: Das ist nicht ausgeschlossen, aber nicht Schwerpunkt der Ermittlungen. Dennoch beobachten wir weiterhin das Umfeld von Mariya. Wir gehen aber davon aus, dass es ein zufälliges Aufeinandertreffen war.
Nimmt Sie der Fall persönlich mit?
Jungklaus: Man nimmt schon persönlich Anteil. Weil man sieht, wie Mariya hier gelebt hat und dass sie kurz vor dem Abschluss ihres Studiums war. Man muss aber den professionellen Abstand wahren. Natürlich spricht man über seine Gedanken und Emotionen auch zu Hause. Die Ermittlungsarbeit aber bleibt in der Dienststelle.
Welche Hoffnungen setzen Sie auf „Aktenzeichen XY ... ungelöst“?
Jungklaus: Zunächst, dass der Fall in der Öffentlichkeit bleibt. Der bekommt dadurch einen überregionalen Charakter. Studenten, die vielleicht schon wieder aus Halle weggezogen sind, könnten eventuell aufmerksam werden. (MZ)
