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100 Jahre alte Lindenbäume Lindenallee am Riveufer: Warum ein Uni-Professor vor Baumfällungen warnt

21.09.2018, 06:01
Das Riveufer soll umgestaltet werden.
Das Riveufer soll umgestaltet werden. Silvio Kison

Halle Saale) - Die Debatte um die geplante Sanierung des Riveufers schlägt hohe Wellen. Helge Bruelheide, Professor für Geobotanik am Institut für Biologie an der Martin-Luther-Universität, warnt davor, Halles Wahrzeichen zu zerstören und die Lindenbäume großflächig an der Allee zu fällen. Tanja Goldbecher hat mit ihm über die geplanten Baumfällungen entlang der Allee gesprochen.

Die Nachricht, dass Bäume am Riveufer gefällt werden sollen, hat heftige Reaktionen unter den Hallensern ausgelöst. Viele können nicht verstehen, warum die Bäume verschwinden müssen.

Helge Bruelheide: Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Man muss sich zunächst überlegen, was man gewinnt, wenn man die Bäume fällt, und was man dadurch aber auch verliert. Auf der einen Seite gibt es den Fluthilfefonds, den die Stadtverwaltung verwenden will. Auf der anderen Seite geht es jedoch um Halles Wahrzeichen, das man dadurch zerstören würde.

Die Verwaltung will nur einen kleinen Teil der Lindenbäume fällen, die SPD- und CDU-Fraktion alle auf einmal, um ein einheitliches Bild der Allee zu erhalten.

Das ist nicht nur eine ästhetische Frage. Man muss bedenken, dass junge Bäume nicht annähernd die ökologische Leistung von alten Bäumen erfüllen. Die 100-jährigen Linden spenden Schatten, produzieren Nektar für Bienen und sind wertvoll für das städtische Klima.

Es sind immerhin Neuanpflanzungen geplant.

Für eine Allee ist es völlig normal, dass einzelne Bäume ersetzt werden müssen. Diese in großen Stückzahlen auszutauschen, ist jedoch problematisch. Aus meinen praktischen Erfahrungen weiß ich, dass etliche junge Bäume nicht anwachsen werden - vor allem bei den aktuellen klimatischen Bedingungen von extremer Hitze, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben.

Diese Bäume müssten dann erneut ersetzt werden, was wiederum Mehrkosten für die Stadt bedeutet. Altbäume sind dahingehend viel robuster und beständiger.

Wie bewerten Sie den Pilzbefall der Bäume?

Es ist sehr schwer zu sagen, ob ein Pilz in den nächsten zehn oder 15 Jahren einen Baum töten wird. Man muss wissen, dass alle unsere Bäume von Pilzen befallen sind. Allein auf den Blättern der Linden gibt es mindestens vier Linden-spezifische Blattpilzarten, die jeden Baum befallen.

Pilze sind also nicht per se eine Gefahr für die Allee, sondern ein normaler und wichtiger Bestand des Ökosystems. Manche Pilzarten können morsche Bereiche an den Bäumen verursachen. Ich bin die Allee allerdings erst vor Kurzem abgefahren und habe das bei keinem Baum feststellen können. Zudem hat die Stadt vor dem Laternenfest alle Bäume einer Baumpflege unterzogen. Meiner Meinung nach gibt es aktuell keinen Baum, der aufgrund einer Pilzschädigung an der Allee gefällt werden muss. Ich bin aber gern bereit, mit den Experten meines Instituts eine weitere Analyse für die Verwaltung zu erstellen.

Wie verhält es sich mit dem Argument, dass die Wurzeln bei den Bauarbeiten beschädigt werden und die Bäume dadurch absterben könnten?

Wenn man sehr fachmännisch vorgeht, kann man die Wurzeln bei den Bauarbeiten aus dem Kanal zurückschneiden, ohne den Baum zu gefährden. In China habe ich beispielsweise erlebt, wie 100 Jahre alte Bäume unter größtem Aufwand versetzt wurden. Einfach weil alte Bäume in dieser Nation einen sehr hohen Stellenwert haben. Dann sollte es doch auch möglich sein, eine Sanierung vorzunehmen, ohne Bäume fällen zu müssen.

Glauben Sie, dass einigen Stadtpolitikern dieser Stellenwert der Bäume vielleicht nicht bewusst ist?

Ich hoffe, dass die Bürger und Experten in dieser Debatte noch Gehör bei den politischen Vertretern der Stadt finden. Alle Lindenbäume zu fällen, fundiert auf einer aus meiner Sicht unhaltbaren Argumentation und würde ein Unverständnis auslösen, das weit über Halle hinausgehen würde. (mz)