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Lebensretterin auf der Heimfahrt

Von Heidi Pohle 06.02.2008, 16:36

Halle/MZ. - Heute stellen wir erneut eine Kandidatin für den Preis vor: Jennifer Härtel aus Halle.

Wenn Jennifer Härtel von den Ereignissen des 22. Dezembers vergangenen Jahres spricht, nimmt sie das noch immer sehr mit. Schließlich rettet man nicht jeden Tag einem Menschen das Leben. Sie hat das getan - zwei Tage vor Weihnachten wurde die junge Frau Zeuge, wie ein 82-jähriger Mann einen Kollaps mit Herzstillstand erlitt. Durch ihr beherztes Handeln erholte sich der Mann. Ihm geht es heute gesundheitlich wieder recht gut.

"Ich war auf der Fahrt nach Hause, saß im Zug nach Bad Tönningen bei Koblenz", erzählt die gerade 19 Jahre alt gewordene Jennifer, die in Halle an der "Medi-Z"-Schule zur Rettungssanitäterin ausgebildet wird. "Ich habe gelesen und Musik gehört, als ein betagtes Ehepaar einstieg." Kurze Zeit später sei dem Mann schlecht geworden, er wurde bewusstlos, Puls und Atmung setzten aus.

Ohne zu zögern begannen Jennifer und eine mitreisende Schülerin, den Mann wiederzubeleben: "Sie machte die Herzmassage, ich beatmete ihn." Nach etwa einer Viertelstunde, die beiden ewig lang erschien, kam der Mann, der in der Nähe ihres Elternhauses wohnt, wieder zu sich. Inzwischen hatten andere Leute aus dem Zug einen Notarztwagen bestellt, so dass er an der nächsten Haltestelle in ärztliche Obhut und anschließend ins Krankenhaus kam.

Erst da habe sie gemerkt, so Jennifer, wie sehr sie das Geschehen mitgenommen hatte - physisch und psychisch gleichermaßen. "Ich habe am ganzen Körper gezittert trotz des glücklichen Ausgangs", erinnert sie sich. Obwohl sie seit einem Jahr als Rettungssanitäter ausgebildet wird und seit ihrem elften Lebensjahr beim Malteser-Hilfsdienst ehrenamtlich arbeitet, habe sie das Gelernte noch nie bei einem Menschen anwenden müssen. "Wir haben immer mit Puppen geübt sowie die Handhabung moderner lebensrettender Geräte kennen gelernt", erzählt Jennifer Härtel.

Dass sie im richtigen Augenblick das Richtige getan hat, freut sie natürlich, obwohl sie äußerst ungern im Mittelpunkt steht. "Im Moment der höchsten Not denkt man daran aber zuletzt", sagt Jennifer, die nicht verstehen kann, dass Menschen lieber wegsehen, als erste Hilfe zu leisten.

Dabei sei das, was sie und die Schülerin getan haben, gar nicht so schwer. "Bei einem Wiederbelebungsversuch drückt der eine Helfer 30 mal kräftig auf die Mitte des Brustkorbs, um den Herzmuskel zu stimulieren. Der andere beatmet den Bewusstlosen anschließend zweimal durch den Mund und hält ihm dabei die Nase zu." Dieser Wechsel müsse mehrfach erfolgen.

Im April beendet die Wahl-Hallenserin ihre Ausbildung, die sie in ihrer Heimat nicht finden konnte. Zwischenzeitlich fühlt sie sich an der Saale aber ganz wohl und könnte sich durchaus vorstellen, für immer in Halle zu bleiben. "Allerdings müsste ich hier eine Arbeit finden", sagt sie, und das sei gar nicht so leicht. Doch erst einmal wird sie ein Probejahr als Rettungs-Assistentin auf einem Wagen der Schnellen Medizinischen Hilfe (SMH) absolvieren.

Und natürlich will sie den 82-Jährigen besuchen. Seine Familie ist sehr froh über den glücklichen Ausgang der Zugfahrt. "Mit ihrer entschlossenen Hilfe haben die jungen Frauen einem Menschen das Wertvollste geschenkt, was es gibt - das Leben", hat der Sohn des Geretteten in einem Brief geschrieben. Es gebe Gott sei Dank noch Menschen, die in schwierigen Situationen für andere da sind.