Kurt-Wabbel-Stadion Kurt-Wabbel-Stadion: HFC-Fan Uwe reißt erste Traversen ein

Halle - Wolfgang Kramer hat seine Arme vor der Brust verschränkt. Er steht auf der Laufbahn des Kurt-Wabbel-Stadions, den linken Fuß entspannt auf der äußeren Betonkante und schaut Richtung Marathon-Tor. Seine Position: Westtribüne, erster Stehplatz-Block. Kramer schaut auf den riesigen Bagger neben sich. Er ist dessen Fahrer. Der Mann und die Maschine mit der Typenbezeichnung PC 240 NCL warten auf ihren heutigen Einsatz. Einen besonderen: Kramer wird gleich mit dem Maschinen-Arm und der Wucht von etwa 300 Pferdestärken die letzten Stunden des alten Kurt-Wabbel-Stadions einläuten.
Kramer schaut kurz zur Uhr. 13.25 Uhr. "Ich warte noch auf Halles Oberbürgermeisterin", sagt der Baggerführer und schiebt grinsend hinterher: "Sie soll den ersten Biss machen." Der erste Biss, wie ihn der Fachmann nennt, wird die erste Wunde in die Tribüne des alten "Wabbel" reißen. Im nächsten Jahr soll hier der 17,5 Millionen Euro teure Neubau stehen.
Zehn Minuten später kommt OB Dagmar Szabados (SPD) quer über das von der Sonne gemarterte Grün. Und als wolle sie den einst "heiligen" Rasen der traditionsreichen Spielstätte immer noch schonen, tritt sie barfuß an, trägt die Schuhe in der Hand. Und offenbar möchte die erste Frau der Stadt auch nicht die Verantwortung für die ersten Zerstörungen übernehmen. Schließlich hat sie zum KWS eine besondere Beziehung, zu dem alten Kasten. Er hat sie während der jahrelangen Diskussionen über Sinn oder Unsinn des Neubaus, zu Kosten- und Finanzierungsfragen sicher manch schlaflose Nacht gekostet. Also schiebt Szabados kurzerhand Uwe Striesenow vor, einen der Fanvertreter. Der stutzt. "Ich bin seit 40 Jahren HFC-Anhänger. Das ist ein eigenartiges Gefühl", sagt Striesenow. Dennoch überwindet er sich, klettert auf den Bagger und reißt unter Kramers Anleitung mit der Maschine die erste Betonplatte aus der mittlerweile von Gras bewachsenen Traverse.
Wenige Schritte entfernt beobachtet Halles Fußball-Ikone Klaus Urbanczyk die Szenerie. "Mein Sitz da oben hat noch ein bisschen Zeit", sagt der 70-Jährige, der als Scout noch immer seinem HFC treu ist, und zeigt auf den mittleren, überdachten Block. "In diesem Stadion habe ich mein Leben verbracht. Jetzt freue ich mich aber auf das neue." Banne weiß: Das alte Wabbel verschwindet, die Erinnerungen bleiben. "Ich habe hier früher noch den Huflattich aus dem Rasen gestochen. Im Spiel bist du dann an den Stellen hängen geblieben", erzählt Urbanczyk. Die Wehmut kann er nicht ganz verdrängen.
Die Gegenwart holt den ehemaligen Spieler und Trainer schnell wieder ein. Spätestens, als Bernd Bielecke, der als Bauleiter den Hut auf hat, die Frage nach dem Rahmenzeitplan beantwortet: "Mit den Abbrucharbeiten wollen wir noch im August fertig sein. Danach folgen der Um- und Neubau an Hauptgebäude und Tribünen sowie die Absenkung der Spielfläche." Anfragen von Anwohnern aus der Straße der Republik zu nötigen Straßensperrungen etwa beim Abbau der Flutlichtmasten oder der Stabilisierung der Außenmauer kommt Bielecke zuvor. "Da sind noch keine konkreten Termine absehbar. Wenn diese beantragt sind, werden wir das schnell öffentlich machen", so der aus Haldensleben stammende Architekt.
Bedenken aus der HFC-Fanszene, wie von Fanprojekt-Leiter Steffen Kluge, das Stadion drohe, "eine emotionale Sparvariante a la Meuselwitz" zu werden, versucht Bielecke zu zerstreuen. Er sagt: "Das Stadion wird 6 000 Sitz- und 9 000 zum Teil nachrüstbare Stehplätze haben. Wenn alles fertig ist, werden auch die Kritiker überzeugt sein. Zumal der Neubau selbst für die zweite Bundesliga ausreichen wird. Und da muss der HFC ja erst sportlich hinkommen."
Bernd Bielecke ist ebenso optimistisch, dass die Elf von Trainer Sven Köhler ihr Exil im Neustädter Bildungszentrum pünktlich beziehen kann. Sein Versprechen: "Der HFC wird sein erstes Saison-Heimspiel in Neustadt absolvieren." Das wäre am 21. August (14 Uhr) gegen den FC Energie Cottbus II. Einige Restarbeiten würden den DFB sicher nicht davon abhalten, grünes Licht zu geben.
Wolfgang Kramer war am Dienstag wohl der einzige Mensch im alten Kurt-Wabbel-Stadion, den alle diese Dinge kalt ließen. Denn: "Ich gehe sonst nicht ins Stadion. Fußball ist nicht mein Ding."