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"Gib mir mal richtig Rabatt" Kunst im Lockdown: Wie sich der Lockdown auf ein halleschen Bildhauer auswirkt

Von Silvia Zöller 20.11.2020, 10:00
Tiere, Fabelwesen und dämonische Gestalten sind das Markenzeichen von Jan Thomas. In Wiesbaden , Rüsselsheim und Österreich waren Ausstellungen geplant, die nun verschoben sind.
Tiere, Fabelwesen und dämonische Gestalten sind das Markenzeichen von Jan Thomas. In Wiesbaden , Rüsselsheim und Österreich waren Ausstellungen geplant, die nun verschoben sind. Silvio KIson

Halle (Saale) - Fledermäuse, die Menschen fressen, vielköpfige Dämonen, Menschen im Wolfspelz: Die (Kunst)-Welt des Bildhauers Jan Thomas ist nicht gerade beschaulich, aber weit über Halle hinaus gefragt. Zu sehen bekommt sie derzeit jedoch kaum jemand - außer er besucht den Künstler in seinem Atelier oder in seinem Lager. „Ich habe Plakate und Einladungen für eine Ausstellung in Rüsselsheim erhalten, zwei Tage später wurde sie aufgrund des Shutdowns abgesagt“, berichtet Thomas.

Arbeiten des Bildhauers aus Halle liegen seit zweitem Lockdown im Lager

Ebenso ist eine Ausstellung mit seinen Werken im Kunstmuseum Wiesbaden auf 2021 verschoben, die Hausausstellung im Künstlerhaus 188 - wo der 50-Jährige seine Werkstatt hat - ebenso. Eine Schau im oberösterreichischen Wels auch. Seine Werke, die in der Leunaer Galerie zu sehen waren, sind gerade zurück gekommen - auch diese Ausstellung ist coronabedingt geschlossen.

Die großformatigen Schnitzarbeiten, die Keramiken, alles lagert nun in Halle ein. „Nach der ersten Welle hatten wir uns für die Ausstellung im Rüsselsheimer Stadtmuseum ein Konzept überlegt, bei dem Installationen an der Außenwand des Museums, einer mittelalterlichen Festungsanlage, angebracht werden“, berichtet der Künstler.

Unverständnis zu zweitem Lockdown: „Museen haben jedoch Top-Sicherheitskonzepte"

Doch daraus wurde nichts - keine Genehmigung aufgrund Corona. Jan Thomas, der als Meisterschüler 2003 das Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein beendete und seitdem nicht nur zahlreiche Auszeichnungen und Arbeitsstipendien erhalten hat, sondern seine Werke auch in Einzel- und Gruppenausstellungen von Berlin über Hamburg bis nach Stockholm und Rio de Janeiro gezeigt hat, hat für die Beschränkungen aufgrund Corona großes Verständnis im Allgemeinen. 

„Museen haben jedoch Top-Sicherheitskonzepte. Es ist mir unklar, warum diese schließen müssen“, gibt er zu bedenken. Gerade in der Krise hätten Museen die Chance gehabt, ein wenig Erbauung für die Besucher zu ermöglichen. Zwar sollen die geplanten Ausstellungen nachgeholt werden. „Es bleibt jedoch unklar, wann“, sagt er. „Zudem generieren Ausstellungen für Künstler Umsätze, die nun erst einmal wegfallen.“

„Gib mir mal richtig Rabatt“ - Künstler leben auch von der Präsenz bei Ausstellungen

Der Lockdown habe in Einzelfällen sehr ungewöhnliche Verhaltensweisen bei Kunden hervorgerufen. Während ein Kunde eine Arbeit über eine Galerie bestellt, diese dann aber nach dem Shutdown nicht abgeholt und sich auch nie wieder gemeldet habe, wollte ein anderer die Notsituation der Künstler wohl ausnutzen: „Gib mir mal richtig Rabatt“, soll er gesagt haben. Jan Thomas betont, dass das Einzelfälle sind. „Natürlich wird man nicht gleich vergessen, wenn nun Ausstellungen abgesagt sind, aber das Renommee eines Künstlers wird durch Präsenz genährt“, sagt er.

Präsenz ist zudem auch in anderer Form für ihn wie auch für andere Künstler nicht möglich. So ist Jan Thomas’ Sommerakademie, ein freier Skulpturkurs, ebenso ausgefallen wie sein Unterricht für plastisches Gestalten und großformatiges Arbeiten in Holz, den er im Rahmen der Ausbildung „Gestalter im Handwerk“ anbietet. Und so blickt Jan Thomas nachdenklich auf eine seiner Fledermaus-Chimären, die im Atelier an der Wand statt im Museum hängen. Die Fledermaus mit ihrem vielzackigen Umriss erinnert irgendwie an ein Coronavirus. (mz)

Keramische Fledermaus-Chimären aus der Welt des Jan Thomas
Keramische Fledermaus-Chimären aus der Welt des Jan Thomas
Silvio Kision