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Zweifel an Rückzug-Darstellung Identitäre Bewegung will offenbar doch in Halle bleiben - Zweifel an Rückzug-Darstellung

Von Alexander Schierholz 16.12.2019, 23:00
Das Haus der Identitären Bewegung in der Adam-Kuckhoff-Straße in Halle.
Das Haus der Identitären Bewegung in der Adam-Kuckhoff-Straße in Halle. Silvio Kison

Halle (Saale) - Die Distanzierung kam postwendend: Nur wenige Stunden nach einer Prügelei unweit des Hauses der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) in Halle in der Nacht zum 30. November meldete sich die IB online mit einer Pressemitteilung zu Wort. Der Tenor: Wir sind es nicht gewesen. Die Vereinigung teilte mit, man sei seit Anfang Oktober nicht mehr in dem Haus am Uni-Campus vertreten und nehme dort „keine aktive Rolle“ ein. Zudem seien an den Auseinandersetzungen, die einen Polizeieinsatz auslösten, auch keine Aktivisten der IB beteiligt gewesen.

Das hatte bis dato auch niemand behauptet. In Berichten über den Vorfall, auch in der MZ, hatte es nur geheißen, Angreifer hätten sich in das Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 geflüchtet. Die Polizei ermittelt gegen mehrere Verdächtige wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung; ob darunter auch IB-Aktivisten sind, ist noch gar nicht klar.

Die rasche Distanzierung und der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung direkt nach der Prügelei werfen Fragen auf. Wie glaubwürdig ist die Darstellung des eigenen Rückzugs der IB, die am Freitag bekannt geworden war? Und wie und wo organisiert sie sich jetzt?

Für Torsten Hahnel von der halleschen Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein „Miteinander“ ist die Online-Distanzierung der IB ein Ablenkungsmanöver. „Das ist der durchschaubare Versuch, ihre Selbstdarstellung als gewaltfreie Gruppe aufrechtzuerhalten.“ Aus seiner Sicht gibt es begründete Zweifel am Rückzug der Identitären. Tatsächlich deuten Fotos in sozialen Netzwerken auf eine Verbindung zwischen der IB und dem selbst ernannten „Patriotischen Zentrum“ auch nach Anfang Oktober hin.

So postete „Flamberg“, der Betreiberverein des Hauses, am 22. November auf Twitter Fotos, die IB-Aktivisten bei einer Party im Haus zeigen. Mit Datum 6. November finden sich auf dem Account Bilder von Briefkästen voller IB-Flyer, der Text dazu lautet: „Die Erstis (gemeint sind Erstsemester, d. Red.) der #unihalle haben Post bekommen.“ Fotos, die der MZ vorliegen, zeigen die Kontaktdaten auf den Flyern - der Facebook-Account und die Mail-Adresse von „Flamberg“. Wer sich also anhand der Flyer nach der IB erkundigen will, landet in dem Haus, aus dem die IB nach eigener Darstellung ausgezogen ist.

Sucht Identitäre Bewegung eine neue Bleibe in Halle?

Daniel Fiß hat für all das eine Erklärung: Die Party-Fotos seien vielleicht früher aufgenommen und erst am 22. November gepostet worden, sagt der Bundesvorstand der IB Deutschland aus Rostock auf MZ-Anfrage. Glaubwürdig? Ähnlich, folgt man Fiß, könnte es sich mit den Flyern verhalten: Diese seien vielleicht schon zu einem früheren Zeitpunkt gedruckt worden. Im übrigen, so Fiß, sei der Mietvertrag seit dem 1. Oktober gekündigt, der Auszug aber erst danach erfolgt.

Auch der Betreiberverein „Flamberg“ hat nach den Worten des IB-Chefs das Haus in Halle mittlerweile verlassen; der Verein ließ eine Anfrage der MZ dazu unbeantwortet. „Flamberg“ ist eng mit den Identitären verbunden; der Vorstand besteht, Stand Donnerstag voriger Woche, aus drei IB-Funktionären. Einer von ihnen, Till-Lucas Wessels, nennt auf der IB-Homepage den Rückzug der Identitären „den ersten richtigen, echten Rückschlag“ für das „Leuchtturmprojekt“ in Halle. 

Ein Zentrum der Nationalisten in Sachsen-Anhalt dürfte die Adam-Kuckhoff-Straße 16 trotzdem bleiben. Wessels verweist auf Büros weiterer neurechter Institutionen im Haus, so der Online-Plattform „Ein Prozent“ oder des „Instituts für Staatspolitik“, mitbegründet vom rechten Verleger Götz Kubitschek aus Schnellroda (Saalekreis). Diesen wolle man Platz machen, so Wessels.

Kubitschek gilt als Vordenker der Neuen Rechten. Er hatte das Haus in Halle vor dessen Eröffnung 2017 als „Meilenstein“ und „Leuchtturm“ gefeiert. Die Identitären suchen laut Wessels mittlerweile nach einer neuen Bleibe. In Halle oder in der Umgebung der Stadt. Wenn überhaupt, geht es also nur um einen Teilrückzug. (mz)