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Rückzug der Rechten Identitäre Bewegung gib Hausprojekt Flamberg in Adam-Kukhoff-Straße Halle auf

Von Oliver Müller-Lorey und Jan Schumann 14.12.2019, 12:00
Das Haus der Identitären Bewegung in Halle ist immer wieder Ziel von Farbbeutel-Attacken.
Das Haus der Identitären Bewegung in Halle ist immer wieder Ziel von Farbbeutel-Attacken. Günter Bauer

Halle (Saale) - Valentin Hacken, Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts, kann es noch nicht so recht glauben, was in den letzten Tagen und Wochen in dem vierstöckigen Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 passierte. Das markante Gebäude, das durch zahlreiche Farbbeutelattacken gezeichnet ist, gilt als umstrittener Zufluchtsort der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), als „Leuchtturmprojekt AK16“ der Neurechten.

Doch das scheint vorbei: Sowohl die Identitäre Bewegung selbst auf ihrem Internetportal sowie Götz Kubitschek, verantwortlicher Redakteur des neurechten Webportals „Sezession“ in einem Beitrag, bestätigten das Aus von „Flamberg“.

Auszug der Identitären aus der Adam-Kukhoff-Straße: Bleiben andere Gruppen?

„Die Nachricht vom Auszug deckt sich mit Beobachtungen von Anwohnern, die kürzlich Umzugswagen am Haus gesehen haben“, so Hacken. Ein Auszug sei insofern nicht überraschend, als dass die Identitäre Bewegung in Halle nie richtig Fuß habe fassen können, weil sie als rechtsextrem erkannt worden und ihr Name „verbrannt“ sei.

„Sie hat es nicht geschafft, die Massen zu bewegen und zum Schluss ist auch die mediale Aufmerksamkeit weniger geworden“, so der Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts weiter. „Es ist noch zu früh, sich zu freuen. Wir sind vorsichtig zurückhaltend.“ Unklar sei, ob nach dem Auszug der Identitären Bewegung noch andere rechtsextreme Gruppen in dem Haus bleiben würden.

Haus der IB galt vor allem der Vernetzung rechter Gruppen

Hacken nannte etwa die „Ein-Prozent“-Bewegung, die sich selbst als „Kampagneplattform für patriotische Projekte“ darstellte und von sich sage, nicht mit der IB zusammenzuarbeiten. Jedoch gebe es eindeutige Verbindungen zwischen IB und „Ein-Prozent“. „Wir glauben eher, dass es sich bei dem Auszug um eine Taktik handelt“, erklärt Valentin Hacken. Man müsse im neuen Jahr sehen, wie sich das Haus weiterentwickelt, warnt Valentin Hacken vor zu viel Euphorie über den Rückzug der IB.

Im April 2016 hatte Andreas Lichert, damaliger Leiter des Instituts für Staatspolitik (IfS) und inzwischen AfD-Landtagsabgeordnete in Hessen, das Haus mit einer Grundfläche von 338 Quadratmeter als Bevollmächtigter für einen Mann aus Bayern für knapp 330.000 Euro erworben. Knapp ein Jahr später, im Frühjahr 2017, zog die regionale Gruppe der Identitären Bewegung in das Gebäude gleich gegenüber der Universität ein. Es gab einige wenige öffentliche Termine des sogenannten „Patriotischen Zentrums“ direkt am Uni-Campus. In der Regel blieben die Rechten lieber unter sich.

Auch AfD-Politiker hatte Büro im Haus der Identitären in Halle

Für die Szene hatte das Haus eine andere Funktion: „Es dient der internen Vernetzung und das bundesweit“, sagte Torsten Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein „Miteinander“. Auch der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider hatte dort zeitweilig ein Büro. Regelmäßig war das Haus Ziel von Farbbeutelattacken, Anwohner wehrten sich gegen die Präsenz der Extremisten.

Entgegen der IB-Propaganda agierten Identitäre in Halle seit 2015 teils drohend und gewaltbereit. Eine Eskalation hatte es unter anderem Ende 2017 gegeben: IB-Mitglieder sollen in direkter Nähe zum Haus zwei Zivilpolizisten attackiert haben. Um sich zu schützen, mussten die Beamten ihre Waffen ziehen. Laut Polizei waren die Angreifer - damals 27 und 29 Jahre alt - maskiert und mit Helm, Schutzschild und Baseballschläger ausgerüstet.

Nach Angriff auf Polizisten vor IB-Haus: Warten auf den Prozess

Der lange vorbereitete Gerichtsprozess gegen die zwei Männer und eine mitangeklagte Frau war zunächst kurzfristig verschoben worden. Ihnen wird auch zur Last gelegt, erlaubnispflichtige Waffen ohne Genehmigung besessen zu haben. Es geht um Präzisionsschleudern, für die laut Waffengesetz eine Erlaubnis nötig ist. Möglicherweise handelt es sich bei den Waffen um Fundstücke, die Polizisten bei einer Razzia im IB-Haus sichergestellt haben.

Vermummte Polizisten hatten das Gebäude am Campus 2017 durchsucht und Speichermedien beschlagnahmt. Offensichtlich wird derzeit geprüft, mehrere Verfahren zusammenzulegen. Unklar ist derzeit noch, wann der Prozess stattfindet. (mz)