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Vorbild für andere Herzwoche in Sachsen-Anhalt: Wie ein Hallenser nach dem Herzinfarkt sein Leben änderte

Von Bärbel Böttcher 04.06.2018, 09:00
Steffen Bärwald treibt nach seinem Infarkt viel Sport.
Steffen Bärwald treibt nach seinem Infarkt viel Sport. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - An den 28. September des vergangenen Jahres erinnert sich Steffen Bärwald so, als wäre es gestern gewesen. Früh macht der Hallenser Besorgungen in der Stadt. Als er nach Hause kommt, spürt er plötzlich Schmerzen im Brustkorb. Bis in die Arme strahlen sie aus. Er bekommt schlecht Luft. Fühlt sich schlapp. Der Blutdruck ist im Keller. Und von Stunde zu Stunde verschlechtert sich sein Zustand. Der schließlich herbeigerufene Notarzt erkennt sofort, dass es sich um einen Herzinfarkt handelt. Er weist ihn ins Krankenhaus ein. Gerade noch rechtzeitig.

In der Klinik stellen die Ärzte fest, dass Steffen Bärwalds Herzkranzgefäße stark verengt sind. Es werden drei Stents gesetzt. Das sind Gefäßstützen, die dafür sorgen, dass sich eine geweitete Stelle nicht erneut verschließt. Nach einigen Tagen erhält er noch drei Bypässe. Durch sie wird während einer Operation zwischen Anfang und Ende einer Engstelle eine neue Verbindung hergestellt.

Hallenser hatte Diabetes und Bluthochdruck nicht besonders ernst genommen

Steffen Bärwald gehört zu einer besonderen Risikogruppe. Seit vielen Jahren leidet er an Diabetes - eine der Hauptursachen für einen Herzinfarkt. Denn Diabetes fördert die Verkalkung von Blutgefäßen. Bei dem Hallenser kommt noch Bluthochdruck hinzu. Beides wird zwar behandelt. Aber Bärwald gibt unumwunden zu, dass er sich nicht allzu intensiv um seine Krankheiten gekümmert hat. „Der Blutzucker war nicht so optimal eingestellt“, sagt er. Auch auf eine entsprechende Ernährung habe er nicht wirklich geachtet. „Bis zum 28. September. Was da passierte, das war ein richtiger Schuss vor den Bug“, betont der 41-Jährige.

Wie sich das Leben von Steffen Bärwald seitdem verändert hat

Das Leben Steffen Bärwalds hat sich seitdem geändert. Bei einer längeren Reha kommt er wieder auf die Beine. Das, was hinter ihm liegt, möchte er nicht noch einmal erleben. Also sorgt er für eine gesündere Ernährung. Fisch, Geflügel und Salate kommen nun viel öfter auf den Tisch. Vor allem aber bewegt er sich mehr, trainiert beim Gesundheitssportverein Halle in einer speziellen Herzgruppe.

In Sachsen-Anhalt überschreitet die Zahl der Menschen, die wegen einer Herzerkrankung in eine Klinik eingewiesen werden, den Bundesschnitt um 16,1 Prozent. Das ist bundesweit der Höchstwert. Sachsen-Anhalt ist auch trauriger Spitzenreiter bei der Sterberate, also der Zahl der Erkrankten, die dann sterben. Das sind 28,8 Prozent mehr als im Bundesschnitt. Das liegt vor allem an einem häufigerem Vorkommen der Herzinsuffizienz, der verminderten Pumpfunktion des Herzens.

Beim Herzinfarkt selbst hat das Land die rote Laterne abgegeben. 2016 wurden hier 272 Infarkte pro 100.000 Einwohner registriert (2011: 341). In Bremen (290), Niedersachsen (276), Nordrhein-Westfalen (277) und im Saarland (313) waren es mehr. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 255 Fällen. 82 pro 100.000 Einwohner starben in Sachsen-Anhalt an einem Infarkt - 46 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt (56 Fälle). Etwas schlechter als Sachsen-Anhalt ist nur Brandenburg (83).

Etwa 150 gibt es in ganz Sachsen-Anhalt. In ihnen setzen Patienten wie Steffen Bärwald nach einer überstandenen Herzerkrankung die in der Reha erprobte Bewegungstherapie mit speziell geschulten Übungsleitern und unter ärztlicher Aufsicht fort. „Notwendig für die Aufnahme in eine solche Gruppe ist eine ärztliche Verordnung, die von der Krankenkasse oder der Rentenversicherung genehmigt werden muss“, erklärt Bernd Dürr, Vorsitzender des Gesundheitssportvereins. Diese reiche meist über zwei Jahre. Es gebe aber Teilnehmer, die schon die zweite oder dritte Verordnung vorgelegt hätten. Die meisten seien zwischen 40 und 70 Jahre alt. „Der Anteil der Jüngeren wird größer“, sagt Dürr. Auf jeden Fall sei die Nachfrage groß.

Sachsen-Anhalt ist trauriger Spitzenreiter bei Herzkrankheiten

Kein Wunder. Denn Sachsen-Anhalt hat es am Herzen. In keinem anderen Bundesland wurden laut Deutschem Herzbericht wegen einer Herzerkrankung mehr Menschen ins Krankenhaus eingeliefert als hierzulande. Nirgendwo anders starben mehr Menschen daran. Auch beim Herzinfarkt wird Sachsen-Anhalt eine „hohe Morbidität“ und eine „hohe Mortalität“ bescheinigt, das heißt, eine hohe Erkrankungs- und eine hohe Todesrate.

Anlass für das Land, gemeinsam mit der Deutschen Herzstiftung und vielen Akteuren und Institutionen eine mehrjährige Kampagne zu starten. Den Auftakt bildet die erste landesweite Herzwoche, die am Montag startet. Unterschiedlichste Aktionen sollen über Risiken und Prävention aufklären. „Damit Sachsen-Anhalt aufwacht“, wie Simone Heinemann-Meerz, Kardiologin und Präsidentin der Ärztekammer, sagt.

Steffen Bärwald ist bereits aufgewacht. Im Juni kann er sein altes Leben wieder aufnehmen. Sprich: Er kehrt nach der Krankheit an seinen Arbeitsplatz zurück. In den alten Trott will er aber auf keinen Fall zurückfallen.

››Alle Veranstaltungen unter: www.ms.sachsen-anhalt.de(mz)

Steffen Bärwald treibt nach seinem Infarkt viel Sport.
Steffen Bärwald treibt nach seinem Infarkt viel Sport.
Andreas Stedtler