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Harald Korall Harald Korall: Weihnachten gibt es keinen Baum

23.12.2003, 18:20

Halle/MZ. - Sie scheinen die Adventszeit zu genießen.

Korall: Ja, warum auch nicht. Allerdings ist alles, was hier so festlich aussieht, das Werk meiner Frau.

Fehlt nur noch der Weihnachtsbaum...

Korall: Ach, der fehlt nicht. Und den wird es auch nicht geben. Wir haben schon seit Jahren keinen Baum mehr.

Weihnachten ohne Weihnachtsbaum? Wieso?

Korall: Weil die Wohnung so ausgelastet ist, dass wir für einen großen Baum keinen Platz haben.

Was sagen denn Ihre Kinder und die vier Enkel dazu?

Korall: Die sind ja Weihnachten nicht hier. Stattdessen ist Familientradition, dass unsere beiden Töchter mit ihren Männern und den vier Enkeln an einem Advent-Wochenende nach Halle kommen. Dann gehen wir in die Steintor-Revue. Die Kinder spielen danach, wir Erwachsenen hocken bis in die Nacht zusammen und palavern. Und beim Abschied nehmen sie blaue Säcke mit, in denen die Geschenke stecken. Obwohl ich das mit den Geschenken ja furchtbar finde.

Was finden Sie furchtbar?

Korall: Dass die Geschenkberge immer größer werden. Wir hatten als Kinder nur wenig Spielzeug. Heute muss im Kinderzimmer öfter aussortiert werden, weil einfach kein Platz mehr da ist. Deshalb versuchen wir, uns beim Schenken auch etwas zurückzuhalten.

Was machen Sie Heiligabend?

Korall: Meine Frau und ich fahren kurz zuvor nach Duderstadt im Eichsfeld - eine erzkatholische Gegend. Dort werden wir eine Woche lang richtig ausspannen. Und während wir durch die Stadt spazieren, können wir die Leute beobachten, die hektisch Geschenke besorgen.

Sind Bücher im Reisegepäck?

Korall: Auf jeden Fall. Ich will versuchen, endlich Walsers "Tod eines Kritikers" zu lesen.

Und Sie verschenken wahrscheinlich auch viele Bücher?

Korall: Das machen wir, ja. Unsere älteste Enkeltochter ist zum Beispiel ein unerhörter Harry-Potter-Fan. Sie bekommt bestimmt von jemandem den neuen Teil geschenkt.

Kennen Sie selbst Harry Potter?

Korall: Ich habe den ersten Band mit Freuden gelesen, den zweiten mit etwas Schwierigkeiten - aber diese riesige Faszination kann ich nicht ganz nachvollziehen. Allerdings fand ich die Filme interessant. Und wir werden demnächst auch in den neuen "Herr der Ringe" gehen. Man muss ja wissen, was Kinder so interessiert.

Wieso? Wollen Sie künftig Kinderbücher schreiben?

Korall: Darüber habe ich schon öfter nachgedacht.

Im Ernst? Aber Sie haben doch mit ihren spektakulären Kriminalfällen großen Erfolg.

Korall: Und darüber bin ich sehr froh. Aber es kann auch zu einer Übersättigung am Stoff kommen. Und da will man mal was anderes machen. Doch bisher sind das nur Pläne. Vor allem bräuchte ich für ein Kinderbuch ja einen Verlag. Das ist nicht einfach.

Aber läge nicht ein richtiger Krimi näher? Mit Verbrechen und Verbrechern kennen Sie sich doch aus.

Korall: Auch daran habe ich schon gedacht!

Wäre dies das Aus für den bisherigen Korall-Stil?

Korall: Also erstens ist das mit dem Krimi auch nur eine vage Idee. Und zweitens habe ich die moralische Verpflichtung, noch mindestens einen Band zu machen. Das wäre der neunte und er könnte "In drei Wochen Millionär" heißen.

Der Titel steht schon fest? Worauf spielt er an?

Korall: Er bezieht sich auf einen Fall von 1990. Damals hat eine Gruppe von Tätern in Naumburg, Weißenfels, Halle und bis hinauf in den Norden Konten mit ungedeckten und falschen Schecks angelegt. In einem Vierteljahr haben sie so 45 Millionen Mark ergaunert. Ich habe mit einem der Verurteilten gesprochen. Diese Tonbänder warten noch auf ihre Verwertung.

Zu DDR-Zeiten sind solche Fälle kaum bekannt geworden. Hat sich die Zahl der Straftaten seit 1990 wirklich erhöht oder wird nur mehr darüber berichtet?

Korall: Experten, mit denen ich geredet habe, sagen, die Zahl der Tötungsdelikte hat sich nicht wesentlich erhöht. Denn diese Delikte haben weniger mit der Gesellschaftsordnung zu tun. Doch den Edelgangster aus dem "Tatort" findet man in der Wirklichkeit selten. Das war für mich ja ein Grund nachzufragen: Wie sieht das wirklich aus?

Aber sind Tötungsdelikte nicht nur die Spitze des Eisbergs?

Korall: Allerdings. Denn die Gesamtzahl der Delikte steigt - auch weil man mehr Möglichkeiten hat, abzutauchen. Außerdem sinken das Alter der Täter und die Gewaltschwelle: Wegen zwei Büchsen Bier töten zwei einen Dritten.

Wie werden aus solche Taten Ihre Realgeschichten? Sitzen Sie dann jeden Tag zu selben Zeit am Schreibtisch?

Korall: Nein, das ist mit den Jahren immer mehr eine Frage der Lust. Wenn allerdings der Abgabetermin näher rückt, muss täglich was kommen. Das war oft in der Adventszeit der Fall - was für die Familie nicht so toll war. Es ist zwar schrecklich, aber: Unter Druck kann ich am besten arbeiten.

Aber das betrifft ja nicht nur das Schreiben. Sie geben ja auch Texte von anderen heraus.

Korall: Das war mir immer wichtig - schon als ich noch im Verlag gearbeitet habe. Nach der Wende haben wir im Förderkreis der Schriftsteller Sammelbände mit Texten hiesiger Schriftsteller herausgebracht und die Reihe "Autorenhefte" aus der Taufe gehoben. Davon ist gerade Nummer 37 in der Druckerei.

Also ist es gut um den schreibenden Nachwuchs in Halle bestellt?

Korall: Wir sehen zahlenmäßig im Vergleich zu anderen Gegenden recht gut aus. Und wir haben etwas, das man anderswo in diesem Maße nicht so kennt: den Zusammenhalt der Autoren. Das ist auch ein Verdienst des Förderkreises. Allerdings haben es die jüngeren Schreiber schwerer als wir. Denn sie haben meist nur eine regionale Wirksamkeit. Als ich damals "Die Tote an der Waisenhausmauer" schrieb, interessierte man sich in der ganzen DDR dafür. Heute ist die Konkurrenz viel größer und die Resonanz des Publikums geringer. Wichtig ist, dass die Mittel beispielsweise für die Arbeit des Fördervereins weiter fließen.

Haben Sie nur Bücher im Kopf oder interessiert Sie auch andere Kultur?

Korall: Da kommt man ja in Halle kaum drum herum. Wir haben ein Konzertanrecht der Philharmonie, gehen zum Beispiel am 28. Dezember in das Konzert der Prager Philharmonie in der Händel-Halle und sind auch oft im Theater. Aber ich spiele auch mal am Computer und wir verreisen sehr gern; waren in Australien und Südafrika. Wir würden das noch öfter tun, wenn mehr Zeit und Finanzen da wären.

Aber aus Neustadt wegziehen wollten Sie nie? Fühlen Sie sich als Neustädter?

Korall: Ich weiß nicht, ob man heute noch das Gefühl haben kann, Neustädter zu sein. Jedenfalls ist es nicht angebracht, es zu kultivieren, denn Halle und Neustadt sind ja eine Stadt. Allerdings bin ich zutiefst betroffen, wenn alle Welt so negativ von der "Platte" spricht. Man kann auch in der Platte gut leben! Wir haben mal überlegt, ein Häuschen auf dem Land zu bauen. Aber wenn man sich die neuen Siedlungen anschaut - die glucken so eng aufeinander... Ich lebe seit 30 Jahren in Neustadt - das prägt.

Also wird das neue Jahr in Neustadt begrüßt?

Korall: Nein, wir feiern bei der Tochter. Die ist mit den Kindern allein zu Hause. Weil unser Schwiegersohn mit Freunden in Südamerika unterwegs ist. Die klettern in Chile auf Fünftausendern herum.