Halle Halle: Die Herren der Uhr
Halle (Saale)/MZ. - Wie viele Stufen es sind bis oben in den Kirchturm der Pauluskirche, das wissen Wolfgang Petters und Hermann Beleites ganz genau: Die beiden heute 70-Jährigen laufen die 153 Tritte schließlich schon seit 36 Jahren regelmäßig hoch. Egal ob Winterkälte oder Sommerhitze herrscht, das Duo hält das 1903 gebaute Uhrwerk der Pauluskirche ehrenamtlich auf Vordermann.
Während Wolfgang Petters alle 14 Tage die Turmuhr mit ihren schweren Gewichten aufzieht, hat sich Hermann Beleites der Reparatur und Wartung des alten Schätzchens verschrieben. Beide sind Physiker und kennen sich schon vom Studium an der Uni Halle. "Die Sache mit der Uhr war 1975 eine gemeinsame Verabredung- wenn der eine die Uhr aufzieht, repariert der andere", sagt Hermann Beleites. "Und das funktioniert seitdem", ergänzt Wolfgang Petters.
Angefangen hatte das langjährige Engagement mit einer Anfrage des damaligen Pfarrers. Denn 1974 war die Turmuhr mangels Wartung stehengeblieben. Wer sich dem Problem annehmen könnte, war schnell klar, denn Beleites engagierte sich schon seit vielen Jahren in der Paulusgemeinde - zum Beispiel läutete er die Glocken in den 50er Jahren, als das elektrische Läutwerk defekt war. Und als Physiker und ehemaliger Mitarbeiter der Energieversorgung Halle ist er für einen ehrenamtlichen Techniker bestens augerüstet: In seinem Keller steht eine komplette Werkstatt mit Drehbank, Schweißgerät und allem anderen, was das Handwerkerherz höher schlagen lässt.
Zwar ist Wolfgang Petters, der als Physiker in der Nuklearmedizin der Uni Halle gearbeitet hat, technisch auch versiert. Aber er ließ Beleites gerne den Vortritt: "Er ersetzt drei Handwerker."
Beide halfen sich freilich bei den zahlreichen Reparaturen, die in 36 Jahren angelegen haben. Beleites hat sie genau dokumentiert. 1975 war die Uhr in einem so desolaten Zustand: Zeigerwellen waren festgerostet, eine Taube brütete im Räderwerk. Alles wurde von dem Duo grob gereinigt und überarbeitet. Doch 1978 - zum 75-jährigen Bestehen der Kirche - wurde eine Generalüberholung fällig. Dabei wurden das Kirchdach abgedichtet, in dem Hunderte von Tauben lebten, und die Uhr komplett aufgearbeitet. So konnten sie 1978 erstmals die Technik wieder gängig machen, mit der die Glocken die Viertel- und vollen Stunden läuten - seit 1940 war dies nicht mehr zu hören gewesen.
Und auch zum 100-jährigen Bestehen der Kirche im Jahr 2003 setzten sich die beiden Tüftler wieder ans Werk. Denn für die Sanierung des Daches war die Uhr abermals im Weg und musste komplett ausgebaut werden.
Wie viele Stunden die beiden in diese aufwendigen Arbeiten investiert haben? Beleites zuckt mit den Schultern: "Das wird wohl reichen für einen bevorzugten Platz im Himmel." Wichtig ist für die beiden, dass das alte Uhrwerk erhalten bleibt, das 1903 in der halleschen Uhrenfabrik Frantz in der Burgstraße gebaut wurde. Beleites und Petters haben sich nie verpflichtet, die Uhr zu warten. "Aber wir haben es sehr gerne gemacht", sagt Wolfgang Petters.