Halle Halle: Die Alleskönner
Halle (Saale)/MZ. - Manchmal sind es die kleinen Bemerkungen am Rande, manchmal nur die verwunderten Blicke. Neulich zum Beispiel, auf dem halleschen Marktplatz. Zwei Straßenbahnen stoßen während eins Festes in der City der Saalestadt zusammen. Sven Sondershausen und seine Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks sind die ersten an der Unfallstelle. Verletzte müssen sie nicht versorgen, ihnen bleibt lediglich die Aufgabe, Absperrungen einzurichten und die Polizei zu unterstützen. Einer der Beamten löst bei Sonderhausens Helfern jedoch Staunen aus, als er sagt: "Was macht ihr denn schon hier? Ihr kommt doch immer erst bei großen Sachen oder wenn es was aufzuräumen gibt."
Gut, wirklich verblüfft waren die Frauen und Männer in ihren blauen Anzügen nicht. Immerhin mussten sie sich in den vergangenen 20 Jahren immer wieder mit solchen Vorurteilen herumschlagen. "Oft aus Unwissenheit darüber, was unser eigentlicher Auftrag ist, wie unsere Abläufe organisiert sind und was wir eigentlich leisten können", bemerkt Sondershausen.
Am 20. Februar 1992 wurde der hallesche Ortsverband der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, wie es korrekt heißt, ins Leben gerufen. Offiziell und mit Urkunde. Denn eigentlich gab es die Vereinigung da schon seit fast einem Jahr. Begonnen hatte alles recht abenteuerlich - mit einer Hand voll Leuten und mit einer Ausrüstung aus den Beständen der DDR-Zivilverteidigung. Mehrere LKW vom Typ W 50 in den unterschiedlichsten Ausstattungen und russische Laster prägten den Fuhrpark. Sogar ein Motorrad stand zur Verfügung. "Schön war’s aber auch", erinnert sich Sondershausen.
Wenn der Chef der 54 ehrenamtlichen und hoch spezialisierten Helfer heute durch "seinen" Fuhrpark schlendert, will er die Errungenschaften der vergangenen Jahre aber bei allen guten Erinnerung nicht mehr missen. Eine ganze Reihe der auffallend blauen Laster, bis unter das Dach mit Technik für alle denkbaren Situationen vollgestopft, stehen in Reih und Glied in den Garagen in der Murmansker Straße. Auch ein Kran - wie Sondershausen sagt eine Besonderheit - gehört dazu. Und für alle Fälle, für die auch kleinere Fahrzeuge ausreichen, können die Hallenser auf Kleintransporter und Pkw zurückgreifen. Darunter fallen Transporte von Einsatzkräften und Material oder - unbestritten wichtig - der Verpflegung. Aber genau eines dieser Autos bereitet den Technikspezialisten Sorgen: "Unser 20 Jahre alter Golf wird es nicht mehr lange machen", sagt Sondershausen. Weil aber der VW nicht zur Standardausrüstung in Halle gehört, schiebt der Bund, an dessen Tropf die Helfer hängen, das notwendige Geld für einen Neukauf nicht rüber. Dafür will nun der Förderverein des halleschen THW einspringen und sich als Partner die Saalesparkasse ins Boot holen.
Dass Sondershausen und seine Mitstreiter seit 20 Jahren gefragte Leute sind , zeigt ein Blick in die Statistik. Allein für das vergangene Jahr stehen dort 21 000 Einsatz- und Ausbildungsstunden. Immerhin ist das Spektrum der halleschen Alleskönner groß. Ob die Saale-Hochwasser 1994 und 2011, die Flut 1997 an der Oder in Brandenburg oder das Jahrhunderthochwasser 2002: Das THW aus Halle war immer ganz vorn mit dabei. Zudem sind die Retter darauf spezialisiert, bei Hauseinstürzen, wie im April vergangenen Jahres in Teutschenthal, mit schwerer Technik zu helfen, bei Nachteinsätzen der Polizei große Flächen taghell zu erleuchten oder nach Unwettern entwurzelten Bäumen mit Kettensägen zu Leibe zu rücken
Doch gerade wenn das Gespräch auf die Einsätze des THW kommt, wird Sondershausen nachdenklich. Ein tragischer Unfall lässt seine Helfer bis heute nicht los. Es war der 16. Januar 2008, als aus einem kleinen Erkundungseinsatz in Queis eine Tragödie wurde. Ein einstürzendes Hochregal in einer Papierfirma hatte THW-Zugführer Kai Böge unter sich begraben. Erst zwei Tage später wurde dessen Leiche unter den Trümmern gefunden. "Dieser Verlust war und ist nicht einfach für uns", meint Sonderhausen. Aber die Tragödie hat auch Signalwirkung gehabt: Der Öffentlichkeit wurde bewusst, welchen Gefahren sich neben der allseits präsenten Feuerwehr auch die Helfer des THW aussetzen.