Geschichten aus Halle Geschichten aus Halle: Weihnachten vor gut hundert Jahren

Halle (Saale) - Weihnachten vor gut hundert Jahren - wie war es damals? Bei Beginn des 1. Weltkrieges im August 1914 fuhren viele Züge mit Soldaten zu den Fronten im Westen und Osten über Halle und machten hier Station. Ein hallescher Journalist hat eine Episode überliefert, die davon zeugt, wie siegessicher damals die Stimmung war. Ein Soldat rief übermütig einem in einem anderen Zug zu "In Paris sehen wir uns wieder".
Halle war Lazarettstadt
Viele Menschen glaubten, dass die deutschen Soldaten nach Siegen über Frankreich und Russland zu Weihnachten 1914 wieder zu Hause wären. Statt dessen gab es bereits im Dezember 1914 viele Tote und Verwundete. Halle war Lazarettstadt mit 2 800 Verwundeten geworden. Aber die Stimmung blieb optimistisch, die allgemeine Meinung war, dass man 1915 den Sieg erringen und Weihnachten 1915 ein Friedensfest sein würde.
Tatsächlich waren im Westen wie im Osten die Fronten festgefahren, es gab in vielen Familien Tote zu beklagen. In breiten Kreisen der Bevölkerung überwogen die nachdenklichen Töne, was sich auch in der halleschen Tagespresse widerspiegelte. In den Zeitungen erschienen fast täglich Todesanzeigen für den Ehemann, den Sohn oder den Bräutigam mit der heroischen Aussage – gefallen fürs Vaterland, gestorben den Heldentod. Der Weihnachtsmarkt fand statt, aber er war winzig, wie es in einer Reportage hieß, und besteht nur aus wenigen Budenreihen.
Inzwischen herrschte bei vielen Nahrungsmitteln Mangel. Die Rationierung war Aufgabe der Kommunen. Schon im Herbst 1914 war in Halle ein Kriegsernährungsamt geschaffen worden. Ein kritischer Bericht in der Presse stellte fest, dass Speck und Schmalz völlig aus dem Handel verschwunden waren. Inzwischen waren auch Brotkarten ausgegeben worden. Besonders geklagt wurde über die Knappheit an Butter, die in normalen Geschäften überhaupt nicht mehr erhältlich war. Butter war in Deutschland in den Vorkriegsjahren immer importiert worden, und das war nun im Krieg nicht mehr möglich. Eine geschäftstüchtige Firma pries in einer Zeitung Pfahlmuschel-Gelee als "ganz vorzüglichen Butterersatz" an.
Butter aus dem Ausland
Insofern war eine Sonderlieferung von Butter kurz vor Weihnachten 1915 ein wichtiges Ereignis für die Menschen in Halle. Der Reichsregierung war es gelungen, Butter aus dem Ausland zu beschaffen. Sehr zum Ärger der Händler erhielten nicht sie die Butter zur Verteilung, sondern der Verkauf wurde durch staatliche Stellen organisiert. Die "Auslandsbutter" wurde am 20. und 21. Dezember in drei Verkaufsstellen abgegeben – Hallmarkt, Schlachthof und Turnhalle der Talamtschule, nach Vorlage der Brotkarte je ein Viertelpfund.
Wie schlecht inzwischen die Stimmung in der halleschen Bevölkerung nach eineinhalb Jahren Krieg war, geht aus einem Zeitungsartikel mit dem Titel „Eine Mahnung an unsere Hausfrauen“ hervor, der in mehreren Tageszeitungen abgedruckt wurde. Hier wurden die Frauen der Saalestadt kritisiert, die ihren Ärger über die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln an den Händlern ausließen. Und sie würden, wenn sie „jammernde Briefe“ an ihre Ehemänner im Feld schrieben, sich am Vaterland und ihrem Volk versündigen und dem Feind nützen. Trotz allem war es in Vielem aber auch ein normales Weihnachtsfest mit Vorfreude, Einkäufen und glücklichen Kindern. Auf manchen Gebieten war die Versorgung wie in Friedenszeiten, bei Textilien und Wäsche, Spielwaren, Haushaltsgeräten und Büchern - hier überwogen patriotische Werke über den Krieg. In vielen Familien gab es allerdings finanzielle Probleme, weil der Ernährer im Krieg war.
Märchenspiele für die Kinder
Im kulturellen Leben der Stadt herrschten in der Vorweihnachts- und Weihnachtszeit nicht nur die ernsten Töne. In den Theatern der Stadt liefen Märchenspiele für die Kinder, im Stadttheater – "Der Bettelstudent" und ein Schwank, das Walhalla-Theater spielte die neueste Operette von Paul Lincke. Wie in Friedenszeiten gab es in zahlreichen Sälen und Restaurants an den Feiertagen Konzerte, so der Zoo, die Thalia-Säle, Café Zorn, Modler in Büschdorf und das Schützenhaus in Ammendorf. Der Kunstverein eröffnete seine übliche Ausstellung zu Weihnachten mit Werken von Gegenwartskünstlern bereits Anfang Dezember. Die Zahl der Weihnachtsfeiern war riesig. Besonders liebevoll und mit Spenden der Bevölkerung gestaltet waren die Feiern für die Verwundeten. Wie immer waren die Kirchen an Heiligabend und den Feiertagen überfüllt. Eine besondere Freude für viele Hallenser war es, dass die gesunkenen Temperaturen es erlaubten, noch vor dem Fest die Eisbahn auf der Ziegelwiese zu eröffnen. An Weihnachten herrschte hier reger Betrieb. (mz)