Gastronomie in Halle Gastronomie in Halle: Kochen unter fremder Flagge

Halle (Saale) - Liebe geht durch den Magen, so sagt man. Das trifft nicht nur auf die Beziehung zwischen Mann und Frau zu - auch die Liebe zu einem fremden Land kann sich in Kochtöpfen zeigen.
Eine richtig leckere Pizza muss nicht unbedingt von einem Italiener gemacht werden. Auch wenn man in Deutschland geboren wurde, kann man ein authentisches mexikanisches Restaurant führen. Multikulti auf dem Teller gehört längst zum Alltag, auch wenn wir uns dessen oft gar nicht bewusst sind. Wer fragt im Restaurant schon, aus welchem Land der Koch oder der Inhaber kommen?
Die Mitteldeutsche Zeitung fand in Halle einige Restaurants, die sich ganz der Küche eines bestimmten Landes verschrieben haben - deren Leiter aber aus einem ganz anderen Land kommen. Hier erzählen sie ihre Geschichte. Warum haben sie sich auf eine bestimmte Landesküche spezialisiert? Wie stellen sie sich ihre Zukunft vor? Dabei fällt auf: Über Geschmack kann man nicht streiten. Viele Gerichte kommen überall auf der Welt gut an.
Wie kommt ein ungarischer Koch dazu, ausgerechnet ein italienisches Restaurant zu leiten? Lesen Sie auf Seite zwei weiter!
Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Gabor Fisli sagt: „Das hat das Leben mir eben gebracht.“ Der 41-Jährige leitet seit 2011 das italienische Restaurant „Caruso“ in der Leipziger Straße. Auch wenn Fisli kein gebürtiger Italiener ist: Mit den Feinheiten der Küche des Landes ist er vertraut. Im Laufe seines Lebens habe er in vielen verschiedenen Restaurants gearbeitet, sagt der 41-Jährige, und dabei einige Italiener kenengelernt.
So habe er sich Stück für Stück in die Küche des Landes eingearbeitet. Besonders von einer älteren italienischen Köchin habe er viel gelernt. „Sie hat mir ein paar ihrer Geheimnisse verraten.“
Schon mit 13 Jahren arbeitete der Ungar in seiner Heimat in Restaurants, später besuchte er eine Fachschule für Gastronomie. „Ich liebe das Kochen einfach“, sagt Fisli. Seine Ausbildung führte ihn dabei im zarten Alter von 16 Jahren unter anderem nach Wien. Er probiere am Herd gern Neues aus, so Fisli. Zum Beispiel Ravioli mit Ziegenkäse und Feigen. „Das kommt bei den Gästen gut an.“
Auch wenn er seit dem Jahr 2005 in Halle lebt - Fisli hat seine ungarische Heimat natürlich nicht vergessen. Dort leitet er ein Restaurant in der Stadt Hévíz, in dem man „alte ungarische Gerichte mit neuem Ansatz“ probieren kann, wie der Küchenchef es ausdrückt. So kann man dort neben traditionellen Ziegenprodukten auch Fleisch vom ungarischen Wollschwein essen. In Halle sei das nicht möglich, bedauert der 41-Jährige. „Solche Zutaten sind hier in der Umgebung leider kaum zu bekommen.“
Und noch einen Unterschied hat er zwischen Restaurants in Ungarn und in Deutschland bemerkt: In Deutschland habe man oft eine seitenlange, feste Karte mit etlichen Gerichten, die es immer gibt. „In Ungarn ist es einfacher, flexibler: Der Wirt schreibt jeden Tag fünf Gerichte auf eine große Tafel. Die gibt es dann an diesem Tag und fertig.“ Privat isst der 41-Jährige gern „einfach und gesund“, wie er sagt. Vor allem Ofengerichte mag er gern - nach italienischen und natürlich auch nach ungarischen Rezepten.
Warum verschrieb sich der gebürtige Libanese Gharib Reslan ausgerechnet der italienischen Küche? Das erfahren Sie auf Seite drei!
Libanesischer Restaurantbetreiber mag es mediterran
Bei italienischem Essen sei für jeden etwas dabei, meint Gharib Reslan. Der 58-Jährige ist der Inhaber des „Rossini“ am Markt und sagt: „Wenn von internationaler Küche die Rede ist, dann ist damit meistens etwas Italienisches gemeint.“ Wer nicht viel mit Pasta und Pizza anfangen könne, für den gebe es immer noch leckeres Eis und natürlich italienische Weine. „Dieses Land ist kulinarisch einfach spitze“, so Reslan. Das ist der Grund, warum der gebürtige Libanese sich der italienischen Küche verschrieben hat. Dabei wird er von seinem Bruder Imad unterstützt, der als Geschäftsführer arbeitet.
Gharib Reslan kam 1991 nach Halle und übernahm die alte Gaststätte „Zum Roland“. Der studierte Ökonom erkannte die Zeichen der Zeit: „Halle war eben keine DDR-Stadt mehr.“ Anfang der 90er Jahr habe die Bevölkerung enormen Nachholbedarf gehabt - auch kulinarisch. „Gerichte aus fremden, westlichen Ländern kamen gut an. Aber man musste die Menschen langsam heranführen“, erinnert der 58-Jährige sich. Heute seien vielen Speisen normal geworden, die damals noch als exotisch galten. So sei es mittlerweile alltäglich, Grillgemüse als Beilage zu reichen. „Damals wäre niemand auf die Idee gekommen, eine Aubergine zu grillen.“ Auch in Sachen Eis seien die Kunden anspruchsvoller geworden. Hätten früher gut 20 Sorten Eis als Sensation gegolten, so müsse man heute eher 40 Sorten anbieten, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Ob die Zeit reif ist für libanesische Küche in Deutschland? „Hummus und Falafel kennt man mittlerweile auch in deutschen Großstädten“, so Resal. Als Hummus werden pürierte Kichererbsen bezeichnet, Falafeln sind frittierte Bällchen aus Kichererbsen, Linsen, Zwiebeln und Knoblauch. „Aber beliebter als italienisches Essen wird es kaum werden.“
Wird wird sich die Gastronomie weiterentwickeln? Reslan hat da eine Theorie. „Das klassische Essengehen, bei dem man vom Kellner bedient wird, wird immer seltener werden - ein Luxus, den man sich leisten können muss.“ Stattdessen sei eine Art gehobener Fast-Food-Gastronomie auf dem Vormarsch. Das könne man bedauern, aber auf diesen Trend müsse man sich wohl einstellen, so Reslan. „Die Welt ändert sich eben. Und die Gastronomie auch.“
Wie sehr ähnelt sich die griechische und die ukrainische Küche? Seite drei verrät es Ihnen!
Griechische Klassiker
Die Klassiker seien am beliebtesten, sagt Diana Markovych. „Grillteller, Überbackenes, Souvlaki: Das essen die Leute gern.“ Markovych betreibt seit über einem Jahr das griechische Restaurant „Zeus“ am Rannischen Platz. Die 38-Jährige stammt aus der Ostukraine und lebt seit 2003 in Deutschland. Zuerst zog es sie nach Günthersdorf, heute wohnt die junge Frau in Schkeuditz.
Diana Markovych hat ihre Ausbildung zur Gastronomiefachfrau in der Ukraine absolviert. Dass sie nun ein griechisches und kein ukrainisches Restaurant führt, erklärt sie so: „Griechisches Essen ist neben italienischem sicher das beliebteste. Dafür findet man überall auf der Welt Kunden.“ Außerdem seien griechische Speisen ukrainischen manchmal sehr ähnlich. Beispielsweise gebe es in beiden Landesküchen viele Lammgerichte. „Fleischspieße heißen in Griechenland Souvlaki, in der Ukraine eben Schaschlik“, überlegt Markovych. „Und egal, wie man es nennt: Es schmeckt lecker.“
Zudem arbeitet im Zeus ein gebürtiger Grieche als Koch. Er bringe das nötige Fachwissen aus seinem Heimatland mit, so die 38-Jährige.
Klar, in der Gastronomie zu arbeiten, sei sehr anstrengend, sagt Markovych. 50 bis 60 Stunden Arbeit pro Woche seien dabei völlig normal. „Aber ich brauche den Trubel, die Hektik - das macht mir Spaß.“
Bevor sie ihr Restaurant eröffnete, arbeitete Markovych fast zehn Jahre lang als Sachbearbeiterin. Der Job sei an sich nicht schlecht gewesen, erinnert sie sich. „Aber er war auf Dauer auch ein bisschen langweilig. Irgendwie vorhersehbar. Ich wusste, ich brauche etwas anderes.“
Ob sie in 20 Jahren immer noch das „Zeus“ leitet? Das kann Diana Markovych heute noch nicht sagen. „Vielleicht. Ich hoffe es.“ Prinzipiell denke sie nicht zu weit voraus, sagt die gebürtige Ukrainerin. Das sei sinnlos. „Man darf sich nicht zu viele Sorgen machen. Das verdirbt den Spaß an der Arbeit.“ Deshalb packe sie jeden Tag neu an.
Sind "Chili con Carne" und "Tex Mex" wirklich authentische mexikanische Gerichte? Lesen Sie auf Seite fünf die Geschichte des deutschen Restaurantbesitzers von "Mestreme"!
Mehr als scharf!
Mirko Zahn isst privat gern scharf. „Das ist gut für die Gesundheit. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal erkältet war“, erzählt der 40-Jährige. Er betreibt das mexikanische Restaurant „Mextreme“ am Reileck. „Viele Leute denken ja, mexikanisches Essen muss immer sehr scharf sein. Dabei stimmt das gar nicht - auch, wenn ich es persönlich so mag“, erzählt Zahn. Überhaupt kursierten in Deutschland viele Missverständnisse, wenn es um die mexikanische Küche geht. Die will er mit seinem Mextreme ausräumen, so gut es geht. Hier gibt es authentische Gerichte, nicht die als „Tex Mex“ bekannten Speisen, die eher im Süden der USA bekannt sind und oft fälschlicherweise als mexikanisches Essen verkauft werden. „Chili con Carne zum Beispiel kennt in Mexiko kaum einer“, sagt Zahn. Er beschäftigt zwei Köche, die aus diesem Land stammen.
Seine Liebe zu Enchiladas und Co entdeckte der 40-Jährige, als er in Berlin arbeitete. Dort gab es sehr viele mexikanische Restaurants und Zahn beschloss nach einiger Zeit, diese Küche in seine Heimatstadt Halle zu bringen.
Sein Restaurant eröffnete er 2008. Heute kann er sagen: „Ich habe meine Passion gefunden.“ Später mal einen Laden mit italienischer, griechischer oder indischer Küche zu eröffnen, kommt für ihn nicht in Frage: Mexikanisch muss es sein. Das weiß Zahn spätestens, seit er in Mexiko Urlaub gemacht hat. Dreimal war er mittlerweile in diesem Land. Da freut es ihn natürlich besonders, wenn mexikanische Touristen und Einwanderer aus Lateinamerika extra in seinen Laden kommen. Sie wünschten sich dann besonders oft Chilaquiles, erzählt Zahn. Das sind Tortillas aus Mais in scharfer Tomatensoße mit Fleisch und Käse.
Auch wenn sich sein Alltag um Mexiko dreht und Zahn die Küche dieses Landes liebt: Privat isst der 40-Jährige auch gern mal Rindsrouladen.


