Dölauer hadern mit ihrem Star
Halle/MZ. - Brüsk hatte der aus Dölau stammende Berliner Erfolgsschauspielspieler (77) die Wortmeldung seines Jugendfreundes Hans-Dieter Marr abgewehrt und ihn als "Nörgler" bezeichnet. Zuvor hatte Marr nach der Lektüre des Thate-Buchs "Neulich, als ich noch Kind war" seinem Schulkameraden von einst einen Brief geschrieben und ihn mit abweichenden eigenen Erinnerungen konfrontiert.
Die teilen übrigens auch einige andere alte Hallenser, die mit Thate aufgewachsen sind. Für Verstimmung sorgte außerdem ein Satz, den Erika Spatzier von ihrem einstigen Mitschüler in einer Talkshow gehört hatte. Thate hätte da seinen Heimatort als "Kaff" bezeichnet. Seither hadern etliche Dölauer mit ihrem Star. Dabei spiegelt sich gerade in den unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erinnerungen ein spannendes Stück Nachkriegsgeschichte wider, von dem es zu erzählen lohnt.
Eine der frühen Jugenderinnerungen der Dölauer des Jahrgangs 1931 gilt dem Kurzauftritt der amerikanischen Siegermacht im glücklich vor der Zerstörung bewahrten Halle. Hans-Dieter Marr verbindet damit die Erinnerung an seinen ersten Rausch, als er und andere "Halbstarke" sich zu den Amis getrauten und mit ihnen trinken durften. Zuvor hatten Dölauer Jungs hautnah letzte Volkssturmaktivitäten erlebt und gefährliche Streiche begangen - wie etwa das Basteln kleiner Bomben. Einer wurde dabei schwer verletzt. "Als der Dölauer Arzt seine Hand operierte, befahl er uns hinzusehen", erzählt der spätere Lehrer Marr. Das habe dann wirklich gegen die Lust am Kriegsspiel geholfen: "Wir haben es nie vergessen."
Dölau muss auch noch nach dem Krieg - laut übereinstimmenden Berichten dieser Zeitzeugen - eine sehr lebendige Gemeinde gewesen sein. Im Nachhinein zählten sie mehr als zehn Gaststätten und Kaffeehäuser, in denen sich ein anregendes öffentliches Leben entfaltete. So konnte nicht nur Hilmar Thate in seinem Heimatort erste Bühnenerfahrungen sammeln. Auch Erika Spatzier, Hans-Dieter Marr und viele andere Altersgenossen spielten in Komödien und Märchenstücken mit, von denen die örtliche Theatergruppe gleich mehrere im Jahr in Szene setzte.
Und auch bei Marr hat seine frühe Liebe zur Bühne später Früchte getragen: bei seiner Arbeit im Vorstand des Fördervereins des Opernhauses zum Beispiel - und bei der Leitung des Jugendkabaretts "Kiebitze". Dass Hilmar Thate freilich mal ein ganz Großer werden könnte, das habe - so Marr - der kundige Betrachter schon damals auf Dölauer Gasthausbühnen ahnen können. Thate hat seine Verbindung zu Dölau übrigens intensiv gepflegt, solange seine Eltern lebten. Deren Tod und seine Übersiedlung nach Westberlin 1979 waren da freilich ein Einschnitt.
Dass er seinen Heimatort mal als Kaff bezeichnet hat, findet der Starschauspieler übrigens gar nicht schlimm: "Was ist gegen ein Kaff zu sagen?" fragt er. "Ich habe auch gesagt: Ich bin selbst ein Dörfler und sozusagen im Kuhstall aufgewachsen." Der kritische Ton gegenüber Dölau beziehe sich auch weniger auf früher. Erst neuerdings, so meint Thate, sei der Ort "gesichtsloser und verwechselbarer" geworden. Ganz anders denkt er über Halles Altstadt, von deren Sanierung der alte Dölauer begeistert ist. Hier hat Thate auch noch regelmäßig bei Produktionen im Hörspielstudio des MDR-Funkhaus zu tun. Und für den Herbst oder Anfang 2009 sei auch eine Filmpräsentation oder ein Liederabend in Halle mit ihm in der Planung. Bleibt zu hoffen, dass sich bis dahin die Verstimmung zwischen ihm und seinen Altersgenossen gelegt hat.
Hilmar Thate: "Neulich, als ich noch Kind war", Lübbe-Verlag - als Buch, Hörbuch und Taschenbuch für 19,95 Euro bzw. 9,95 Euro.