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Debatte über Spiegel-Artikel Debatte über Spiegel-Artikel: "Halle ist vielseitig"

Von Gert Glowinski 04.04.2013, 21:59
Jana Krupnik-Anacker (l.) und Sylvia Pieplow haben eine Facebook-Seite für Halle gegründet.
Jana Krupnik-Anacker (l.) und Sylvia Pieplow haben eine Facebook-Seite für Halle gegründet. Günter Bauer Lizenz

Halle/MZ - iDie berühmte Burg Giebichenstein thront seit dem Mittelalter über der Saale. Die Hochburg war der Sehnsuchtsort der Romantiker und ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Über eine Hochburg diskutiert derzeit auch Halle - allerdings über eine fiktive. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte berichtet, Sachsen-Anhalts größte Stadt gelte als eine Hochburg des Rechtsradikalismus in Deutschland. Ohne stichhaltige Belege. Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung, nachdem unter anderem die MZ über den Spiegel-Artikel berichtet hatte.

Am Freitagabend beschäftigt sich der MDR in seiner Sendung "Sachsen-Anhalt Heute" mit der aktuellen Debatte über den Spiegel-Artikel "Das Experiment". Die Sendung wir um 19 Uhr ausgestrahlt. Zum Livestream

Sylvia Pieplow zum Beispiel hat ihrem Ärger über die Behauptung des Spiegels im Internet Luft gemacht. Die 42-Jährige sagt über sich selbst, sie sei eine typische Hallenserin. Nur schwer aus der Ruhe zu bringen, kommunalpolitische Debatten etwa hat sie bislang ohne große Aufregung verfolgt, zu Wort melden wollte sie sich schon gar nicht. Das ist seit dieser Woche anders. Pieplow hat gemeinsam mit einer Freundin auf der Internetplattform Facebook eine neue Seite ins Leben gerufen, knapp 80 Unterstützer gibt es dafür online schon. „Halle ist vielseitig“ lautet die Überschrift der Seite. „Man kann Halle vielleicht viel vorwerfen, aber eine Hochburg von Rechtsradikalen ist Halle ganz sicher nicht“, sagt Pieplow.

Diaby: "Halle ist keine Hochburg der Rechtsradikalen"

Das hatte der Spiegel-Autor aber schon in der Überschrift seines Artikels behauptet. Kronzeuge dafür sollte Karamba Diaby sein. Der aus dem Senegal stammende SPD-Politiker tritt in Halle für die Bundestagswahl an. Für den Spiegel eine Geschichte wert, vor allem, wenn es hier vor Rechtsradikalen angeblich nur so wimmelt. „Halle ist keine Hochburg der Rechtsradikalen und das habe ich auch nie behauptet“, erklärte Diaby gestern. Er habe gegenüber dem Redakteur zwar von persönlichen Erfahrungen in Halle berichtet, auch von unschönen. Halle habe er aber keineswegs als Tummelplatz von Rechtsextremen dargestellt. Ihm ist der Artikel offenbar ziemlich peinlich. „Die empörten Reaktionen auf den Artikel kann ich sehr gut nachvollziehen.“ Sein Unbehagen über das Bild, das der Artikel von Halle gezeichnet hat, habe er dem Spiegel-Redakteur persönlich mitgeteilt.

Das hat auch Cornelia Pieper getan. Die Staatsministerin und FDP-Politikerin hatte bereits in der MZ angekündigt, dem Spiegel zu schreiben. „Es besteht kein Zweifel daran, dass Rechts- beziehungsweise Linksextremismus null Toleranz erfahren dürfen. Nur hat der Artikel zu Halle deswegen einen bitteren Beigeschmack, weil man der Stadt zusätzlich ein Stigma aufdrückt“, heißt es in Piepers Brief an den Spiegel. Dabei habe die Stadt noch mit genügend Klischees aus dem sozialistischen Erbe zu kämpfen. „Halle ist in Wirklichkeit eine Hochburg der Wissenschaft und Kultur.“

Facebook-Seite soll Halles Vielfältigkeit zeigen

An diesem Punkt setzen auch Sylvia Pieplow und ihre Mitstreiterin Jana Krupnik-Anacker an. Sie wollen mit ihrer neuen Facebook-Seite genau die Aspekte hervorheben, die Halle tatsächlich bemerkenswert machten. „Zum Beispiel die Leopoldina. Das ist eine Hochburg und zwar der Gelehrsamkeit“, sagt Pieplow. Nach der Arbeit will sie in den kommenden Tagen weiter ihre Facebook-Seite mit solchen Beispielen füllen. Sie fühlt sich von den Behauptungen im Spiegel auch persönlich getroffen. „Ich arbeite an einem wissenschaftlichen Institut. Wir suchen natürlich nach exzellenten Wissenschaftlern, weltweit. Das könnte nun ein Problem werden“, sagt Pieplow. „Wir hoffen deshalb auf die große Unterstützung der Hallenser, die sich nicht alles gefallen lassen sollten.“

Die Gefahr scheint im Fall der rechtsradikalen Hochburg nicht zu bestehen. Nachdem die Kritik am Artikel im Spiegel nicht abebbte, sah sich das Nachrichtenmagazin sogar veranlasst, ein Internet-Blog einzurichten. Dort schreibt erneut der Redakteur, der in Halle war und mit Diaby gesprochen hatte. „Macht es also das Problem in Halle wirklich so klein, wenn es in Sachen Fremdenfeindlichkeit noch auffälligere Städte in einem Bundesland mit einem eindeutigen Problem in Sachen Rechtsradikalismus gibt? Ist es dann kein Thema mehr, wenn ein gebürtiger Senegalese sich dort aufmacht in den Wahlkampf für ein Bundestagsmandat?“, fragt Autor Gordon Repinski. Die Antwort gibt Sylvia Pieplow. „Darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass mit falschen Angaben eine Stadt verleumdet wurde“, so die Hallenserin. „Und das bringt mich auf die Palme.“

Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) antreten.
Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) antreten.
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