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Spiegel-Artikel Spiegel-Artikel: Halle - "Hochburg der Rechtsradikalen"?

Von Gert Glowinski 02.04.2013, 15:50
Der aus dem Senegal stammende Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) erobern.
Der aus dem Senegal stammende Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) erobern. DPA Lizenz

Halle/MZ - Deutschlands größtes Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe an prominenter Stelle auf Seite 24 über Halle. Die Botschaft ist alles andere als positiv: Halle ist eine Hochburg der Rechtsradikalen in Deutschland - steht bereits in der Überschrift. Im Artikel ist unter anderem von Stadtteilen die Rede, in denen Ausländer nachts Angst um ihr Leben haben müssen. Aussagen, die in der Stadt für heftige Reaktionen gesorgt haben.

„Mir ist nicht bekannt, dass Halle eine Hochburg organisierter rechtsextremer Gruppen ist. Das spüre ich auch im Alltag, denn da hat sich Halle während der letzten Jahre gut entwickelt. Natürlich gibt es in Halle einzelne Ecken, in denen ich mich unwohl fühlen könnte, doch das ist weniger eine Frage der Hautfarbe als ein grundsätzliches Problem“, sagt Karamba Diaby, Direktkandidat der SPD für die Bundestagswahl. Diaby wäre bei einem Wahlerfolg der erste Schwarzafrikaner im Bundestag. Seine Chancen stehen nicht schlecht, er rangiert auf dem aussichtsreichen Platz drei der Landesliste. Auch der Spiegel hatte Diaby in seinem Bericht umfangreich zitiert. Nicht zum ersten Mal.

Morddrohungen nach Interview

Vor zwei Jahren hatte der 52-Jährige Morddrohungen bekommen, weil er sich in einem Interview mit der rechtslastigen Zeitung „Junge Freiheit“ für die Ausweitung des Volksverhetzungsparagrafen im Strafgesetzbuchs ausgesprochen hatte. Der Spiegel berichtete damals. Über einige Passagen des jüngsten Beitrags im Nachrichtenmagazin ist er aber nicht wirklich glücklich. Sogar „empört“ wie er sagt. „In Halle muss man generell keine Angst haben, wenn man unterwegs ist. Als Stadtrat und Privatmann bin ich häufig zu unterschiedlichen Zeiten an vielen Orten bei Veranstaltungen oder Gesprächen mit den Bürgern unserer Stadt unterwegs und habe persönlich keine Angst.“ Halle sei seine Heimatstadt, und er würde nicht hier leben, wenn er sich unwohl fühlte - auch wenn in Halle schon unschöne Erfahrungen habe machen müssen.

"Halle ist keine Nazi-Hochburg"

Sachsen-Anhalt ist tatsächlich so etwas wie eine Hochburg der Rechtsradikalen, das lassen zumindest die Statistiken von Polizei und Innenministerium vermuten. Das Bundesland lag bei der Zahl rechtsextremer Straftaten in den letzten Jahren immer vorn. Halle dagegen sei jedoch keineswegs ein Schwerpunkt, sagt Torsten Hahnel. Er arbeitet beim Verein Miteinander und gilt als Kenner der rechten Szene hierzulande. „Halle als Hochburg der rechten Szene in Deutschland zu bezeichnen ist eine Übertreibung, die nicht weiterhilft“, sagt Hahnel. Grund zur Entwarnung gebe es in Halle aber auch nicht. „Alltagsrassismus gibt es leider auch in der Saalestadt“. Organisierte Nazistrukturen existierten im Gegensatz zu anderen Regionen in Sachsen-Anhalt dagegen in Halle kaum.

Das zeigt zum Beispiel die letzte Großdemonstration der Rechten in Halle im Mai 2011. Ein Großteil der knapp 1000 Teilnehmer war aus dem ganzen Bundesgebiet nach Halle gekommen, Hallenser waren nur wenige dabei. Auch die Zahl der Übergriffe durch Rechtsextreme in Halle ist nach Angaben des Vereins Miteinander lange nicht so groß wie beispielsweise in Dessau oder Magdeburg. Diesen Eindruck bestätigt auch die offizielle Polizeistatistik.

Wohl auch deswegen ist man im Rathaus über die „Hochburg der Rechtsradikalen“, wie im Spiegel zu lesen ist, sauer, „Die Darstellung überrascht und erschreckt mich“, sagt Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos). Ein breites gesellschaftliches Bündnis fördere seit Jahren durch vielfältige Aktionen Toleranz und Zivilcourage in unserer Stadt. „In Halle ist kein Platz für Rechtsextremisten und Fremdenhass - in keinem Stadtteil.“ Die Wiegand bekannten Statistiken im Bereich der politisch motivierten Gewaltdelikte und die Ergebnisse der Landtagswahl 2011 würden für die Stadt Halle ein anderes Bild zeichnen, als im Spiegel angedeutet.

NPD-Wähler wie im Bundesdurchschnitt

Bei der Bundestagswahl 2009 in Halle kam die NPD bundesweit auf 1,5 Prozent. In Halle waren es 1,6. Ein ähnliches Bild vier Jahre zuvor. Gesamtergebnis für die NPD 1,6 Prozent. Halle: 1,7. Auch bei Landtagswahlen ist Halle im Vergleich zu den anderen Großstädten des Landes immer im Landesschnitt, wenn es um die Anteile für die rechten Parteien wie NPD, DVU, Pro DM oder Schill-Partei geht. „Halle ist nie eine Hochburg der im rechten Spektrum angesiedelten Parteien gewesen. Die Wahlergebnisse liegen im Durchschnitt des Landes Sachsen-Anhalt und, in den letzten Jahren immer deutlicher zu sehen, auch im Bereich der Ergebnisse auf Bundesebene“, sagt Stefan Weißwange vom Internetportal halle-waehlt.

Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) antreten.
Karamba Diaby soll bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD den Wahlkreis 72 (Halle/Kabelsketal/Landsberg) antreten.
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