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Callcenter BuW Callcenter BuW: Abschied aus Halle

29.07.2016, 14:00
Zum letzten Mal in den eigenen halleschen Hallen: Bormann und Wulff
Zum letzten Mal in den eigenen halleschen Hallen: Bormann und Wulff Holger John

Halle (Saale) - Den Abschiedsworten folgten Tassen mit roten Herzen für die halleschen Mitarbeiter: Jens Bormann und Karsten Wulff, die Gründer und bisherigen Inhaber der Firma von BuW touren derzeit durch ihre 15 Standorte. Vor drei Wochen hatten sie den Verkauf ihrer Callcentersparte an den US-Konzern Convergys verkündet – für wohl 123 Millionen Euro. Im Gespräch mit Robert Briest erklären sie, warum sie sich von ihrem Kerngeschäft trennen und was dies für die über 1.800 Mitarbeiter in Halle und Leipzig bedeutet.

Wie reagiert die Belegschaft auf den Verkauf?

Wulff: Anfangs sehr überrascht. Obwohl diese Übernahmen in den letzten vier Jahren in unserer Branche stark zugenommen haben. Vor 10, 15 Jahren waren 80 Prozent der Dienstleister inhabergeführt, zuletzt waren wir der letzte unter den zehn großen Dienstleistern in Deutschland. Nach dem die Mitarbeiter aber mehr Informationen hatten, wer der neue Besitzer wird und was diesem möglich ist in Bezug auf neue Kunden, Standorterhalt und Übernahme des gesamten Managements, sehen sie den Verkauf mittlerweile sehr positiv. Convergys investiert in Deutschland, weil sie weiter wachsen wollen. Das bietet schließlich auch die Möglichkeit, sich international aufzustellen. Denn die Kunden wollen verstärkt ein mehrsprachiges Angebot.

Die Callcenter sind ihr Ursprung. Sie haben selbst während des Studiums vom heimischen Küchentisch aus damit begonnen. Warum haben Sie sich für die Trennung entschieden und betrieben die Internationalisierung nicht selbst?

Bormann: Das wäre ein anderes Geschäft als das, was wir bisher betrieben haben. Man braucht dafür viel Geld, wir hätten Investoren in den Gesellschafterkreis aufnehmen müssen. Der Hauptgrund ist aber die unternehmerische Verantwortung gegenüber unseren 6.000 Mitarbeitern. Bisher haben wir uns wohlgefühlt, die zu übernehmen, aber die Rahmenbedingungen haben sich durch Globalisierung, gewachsene Anforderungen an Internationalität und neue Preismodelle so verändert, dass wir das Unternehmen lieber in für diese Herausforderungen besser geeignete Hände übergeben.

Sie haben in Halle 800 Mitarbeiter, und mehr als 1.000 in Leipzig. Was bedeutet der Verkauf für sie?

Bormann: Für sie bleibt erstmal alles gleich: das Management, die Kunden, die Vereinbarungen mit den Betriebsräten . . .

Das ist im Verkaufsvertrag so festgelegt?

Bormann: Weitestgehend ja. Die Kultur von BuW bleibt erhalten und da Convergys, die Nummer zwei der Welt, weiter wachsen möchte, gehen wir davon aus, dass es weiter Wachstum geben wird. Convergys bringt ja auch neue Aufträge mit, die auch neue Möglichkeiten für mehrsprachige Mitarbeiter bieten.

Was sind das für neue Kunden?

Bormann: Global agierende Unternehmen wie Apple, Microsoft und Nike.

Sie sprachen von erhofftem Wachstum. Wie sieht das für Halle aus?

Wulff: Wenn Convergys die großen Aufträge mitbringt, könnte man hier in der Immobilie noch mal 100 bis 150 Menschen anstellen.

Bormann: Aber diese Entscheidung liegt beim neuen Eigentümer. Wir sind auch auf eigenen Wunsch dann komplett raus. Wir haben 23 Jahre Selbstständigkeit genossen und sind nicht sehr konzerntauglich.

In Halle arbeiten derzeit knapp 6.600 Menschen in insgesamt 18 Callcentern. Warum ist die Branche hier so stark vertreten?

Wulff: Für uns war Halle 2004 der erste Standort in den neuen Bundesländern. Es gab damals im hier im Osten Arbeitsmärkte, mit teils 15 bis 20 Prozent Arbeitslosigkeit, die für uns in der Wachstumsphase gigantisch waren und einen schnellen Aufbau ermöglichten. Zudem hatten wir damals hier einen Lohnkostenvorteil von 25 bis 30 Prozent gegenüber den alten Bundesländern. Der ist durch den Mindestlohn jedoch fast vollständig verschwunden.

Die Arbeitslosigkeit hat sich seit ihrer Ansiedlung von 19,5 auf 10,9 Prozent reduziert, bei Fachkräften herrscht mittlerweile Mangel. Lohnt sich Halle noch für Callcenter?

Wulff: Die gesunkene Arbeitslosigkeit ist natürlich volkswirtschaftlich schön. Aber man muss sagen, dass sie für Arbeitgeber nicht nur in unserer Branche eine Herausforderung ist. Die Suche nach Toptalenten wird immer schwieriger. In den nächsten Jahren wird sich der Callcentermarkt weiter verschieben. Die einfachen Themen, wie die Frage nach einer Telefonnummer, werden den Apps und der eigenen Suche zum Opfer fallen, stattdessen wird es um anspruchsvolle Themen gehen, die andere Mitarbeiterprofile erfordern.

Das heißt auch die Ansprüche an die Mitarbeiter sind gestiegen?

Bormann: Ja, wir haben drei Monate Ausbildungszeit bei den Direktbanken, zwei Monate bei der Telekommunikationsbranche. Dieser Job ist ein sehr anspruchsvoller, der in der Öffentlichkeit unter Wert interpretiert wird.

(mz)