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Box-Familie Box-Familie: Dittmar Dzemski hat alle Fäden in der Hand

Von Petra Szag 17.11.2017, 08:03

Halle (Saale) - Es gibt dieses typische Geräusch in Boxhallen. Diesen Moment, wenn das Leder der Handschuhe mit voller Wucht aufeinanderkracht. Diesen Rhythmus der Schläge und das charakteristische Stöhnen der Boxer. Doch all diese Geräusche waren urplötzlich nicht mehr zu hören. Sie gingen unter im Gekreische eines Mörtelmixers.

Wer dieser Tage bei Familie Dzemski in Görzig vorbeischaut, erlebt Boxen auf der Baustelle. „Wir müssen gerade ein bisschen improvisieren“, erklärt Trainer Dittmar Dzemski. Während also seine Jungs und Mädchen an diesem Abend mit Boxübungen beschäftigt sind, verteilen die Bauarbeiter im hinteren Raum Ausgleichsmasse auf dem Fußboden.

Boxturnier ist ein Ereignis in Görzig

Ein Ausfall des Trainings wegen der Bauarbeiten ist zurzeit undenkbar. Einige der jungen Boxer haben am kommenden Samstag ihren großen Tag. Im Gemeinde-Zentrum von Görzig kämpfen sie um den Fuhneland-Pokal. Für den kleinen Ort des Südlichen Anhalts im Landkreis Bitterfeld ist dieser Schlagabtausch im Ring regelmäßig ein gesellschaftlichen Ereignis. „Da geht richtig die Post ab, das machen wir dreimal im Jahr“, erklärt Dittmar Dzemski. Und dieses Mal stehen auch Tom und Marlon Dzemski im Ring, Dittmars Enkel.

Was nur zeigt: Der Name Dzemski und der Boxsport in der Region sind untrennbar miteinander verbunden. Und alle Fäden liefen und laufen beim 68-jährigen Dittmar zusammen. 1979 hatte er zusammen mit Detlef Meyer den Anfang gewagt, gründete mit Traktor Görzig seinen ersten Boxverein.

Nach dem zwischenzeitlichen Anschluss an den SV 85 Glauzig in der Nachwendezeit stellten sich die Faustkämpfer 2001 unter Dzemskis Regie schließlich auf eigene Füße. BC Görzig Fuhneland heißt der Verein. Nach anfänglich 15 zählt er mittlerweile 80 Mitglieder, berichtet Dittmar Dzemski stolz. „Mehr als 50 sind Kinder oder Jugendliche.“ Und: Weitere Trainer ziehen mit ihm an einem Strang.

Durch seine Arbeit mit dem Nachwuchs hat sich Dzemski senior einen Namen gemacht. Denn einige von denen, die in den letzten 40 Jahren bei ihm das Box- Einmaleins gelernt haben, sind groß rausgekommen. Steffen Kretschmann, WM-Dritter bei den Amateuren, gehört dazu. Oder die Junioren-Vizeweltmeister Bernd Miertsch und Christian Meyer. Und nicht zu vergessen Dittmars Sohn Dirk, einer der erfolgreichsten Boxer in der Nachwendezeit und heute selbst erfolgreicher Trainer.

Dittmar Dzemski: Schwerer Unfall im Mai

Auf all das ist Dzemski senior mächtig stolz. Und doch zählt für den Vereinspräsidenten vor allem das Hier und Heute. Die Kinder in seiner Nachbarschaft will er begeistern. Für den Sport. Fürs Boxen. Deshalb steht er in der improvisierten Halle und schaut seinen kleinen Faustkämpfern zu. Korrigiert. Lobt. Macht vor.

Nur die körperlich schwere Tatzenarbeit muss er einem Trainerkollegen überlassen. Im Mai hatte er sich bei einem bösen Sturz zu Hause den zweiten Halswirbel gebrochen. OP und Reha folgten. Noch immer fixiert jede Menge Metall in seinem Körper die Bruchstelle. Aber: „Das alles kann mich nicht hindern, in meinem Verein weiterzumachen“, sagt Dzemski.

Dirk Dzemski unterstützt seinen Vater

Es ist nicht seine erste Verletzung. Nach einem Sturz vom Dach vor mehr als 20 Jahren hatte sich der gelernte Schornsteinbauer schon einmal zurückkämpfen müssen. Das Wissen, gebraucht zu werden, hat ihm damals geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Und es treibt ihn auch diesmal nur noch mehr an, an seiner Fitness zu arbeiten.

Es gibt genug zu tun, das Boxen in Görzig am Laufen zu halten. Als es darum ging, für den Umbau die alten Räume zu entkernen, überließ Dzemski den Jüngeren das Feld. Doch beim Kampf um die Genehmigung und dem Zusammentragen der 88.000 Euro Fördermittel spannte sich Dittmar Dzemski vor den Karren.

Sein Sohn unterstützt ihn bei all dem. Dirk Dzemski ist selbst Cheftrainer des Magdeburger SES-Boxstalls. Dort trainiert er die Profis, bildete mit Robert Stieglitz sogar einen Weltmeister aus. Doch er ist weiter Mitglied des Heimatvereins. Mittwochs bringt er sich meist selbst mit ins Training ein. Manchmal trainiert auch sein Sohn Tom mit. Der 20-Jährige treibt neben seiner Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker seine Profikarriere voran. Und auch Marlon, Dittmars jüngsten Enkel, zieht es immer wieder in die sportliche Heimat. Der 14-Jährige lernt eigentlich seit September an der Sportschule in Halle.

In Görzig, bei Dittmar Dzemski, laufen eben die Fäden zusammen. Nächsten Monat soll die neue Trainingsstätte fertig sein. Dann wird der Geruch von frischer Farbe von schweißgetränkter Luft übertüncht, die Vater Dzemski fast ein Leben lang begleitet. Und sein Verein wird ein neues Kapitel beginnen.

Stieglitz, Bösel und Schwarz feuern mit an

Viel Boxprominenz wird am Samstag im Gemeindezentrum Görzig am Ring sitzen und die kleinen und großen Sportler anfeuern. Neben Ex-Weltmeister Robert Stieglitz kommen auch die aktuellen SES-Profis Dominic Bösel und Tom Schwarz - der übrigens auch einst bei Dittmar Dzemski begann. Den Anfang machen ab 17 Uhr die Amateure, unter anderem mit Marlon Dzemski. Zum ersten mal überhaupt beenden die Profis - mit Tom Dzemski - den Boxabend. Beide werden bei diesem Wettkampf von Vater Dirk Dzemski in der Ringecke betreut. Der SES-Chefcoach besitzt sowohl eine Profi- als auch eine Amateurlizenz und hat sich speziell vom nationalen Amateurverband vorab für seinen Einsatz eine Sondergenehmigung eingeholt.

Auch die Ehefrauen der beiden Görziger Boxtrainer bringen sich an dem Abend mit ein. Edeltraud und Anja Dzemski zeichnen für das Catering verantwortlich.

Der Eintritt für die Doppelveranstaltung mit Amateur- und Profikämpfen kostet vier Euro. Kinder bis zehn Jahre haben freien Eintritt, Jugendliche bis 16 Jahre zahlen drei Euro.

(mz)