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Autor Wladimir Gall Autor Wladimir Gall: Bei Lesung in Halle wartete Überraschung

Von Sylvia Pommert 23.07.2004, 15:54

Halle/MZ. - An einem Abend im Spätherbst 1947 begann alles: Gall war von den sowjetischen Truppen als Kulturoffizier in Halle eingesetzt worden. Blutjung war er damals, sprach fließend deutsch, liebte Goethe - und vor allem Halle. "Andere Kinder in meiner Klasse träumten von der Südsee, ich träumte von Halle", erinnert sich der heute 87-Jährige. An seinem Namen lag das, denn: "Gall bedeutet so viel wie Halle."

An jenem Abend im Herbst also ging er zu einem Vortrag, den Professor Kuhn, ein bekannter Röntgenarzt, hielt. Kurz zuvor hatte der Mediziner in Halle eine Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft gegründet. Er sprach über Goethes Verhältnis zu Krankheit und Tod. "Vaters Vortrag gefiel dem Offizier so gut, dass er fragte, ob er sich denn etwas wünsche", erinnert sich Dorothea Kuhn, die Tochter. Ihr Bruder sei damals in sowjetischer Gefangenschaft gewesen, und der Vater habe sich einen besseren schriftlichen Kontakt gewünscht. Gall aber sprach davon, den Jungen nach Hause zu holen.

Eigentlich glaubte die Familie nicht daran, doch ein halbes Jahr später stand Wolfgang Kuhn in der Tür. Gall, so Dorothea Kuhn, sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Halle gewesen. Der Kontakt war abgebrochen.

Zufrieden gab sich Dorothea Kuhn - der Vater war bald verstorben und die Familie lebte in Marbach - damit nicht. In Markus Wolfs Buch "Die Troika" entdeckte sie Galls Porträt. Im selben Jahr, es war inzwischen 1989, sah sie ihn in einer Fernsehreportage. Erst 1995 aber, als Gall zu Gast in der ARD-Sendung "Niemandszeit" war, konnte Dorothea Kuhn seine Moskauer Adresse in Erfahrung bringen. "1996 haben mein Bruder und ich ihn dann in Halle bei einem seiner Vorträge in den Franckeschen Stiftungen getroffen und den Menschen Wolodja kennen gelernt", so die Seniorin.

Längst hat sie Galls beide Bücher "Mein Weg nach Halle" und den 2000 erschienenen Band "Moskau - Spandau - Halle" gelesen, hat erfahren, dass die Hauptperson in Konrad Wolfs Film "Ich war 19" der von ihr gesuchte Gall war. Und sie hat auch erfahren, dass ihr Bruder nicht der einzige Junge war, den Gall aus der Gefangenschaft holte. "Ganz legal, ich habe keinen entführt", schmunzelt der Mann heute und gibt sein Geheimnis dennoch nicht preis.

Nach Karlsruhe, Rostock, Berlin, Bremen und Halle führte ihn seine Lesereise in diesem Jahr. Im nächsten will er ganz sicher wiederkommen. Denn dann hat er ein ganz persönliches Jubiläum: Am 1. Juli 2005, jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem er zu ersten Mal seine Traumstadt Halle betrat.