Galerie Nord Ausstellung von Sebastian Herzau in Galerie Nord: Bald schon fertig ausgewickelt

Halle (Saale) - Der erste Blick in den Raum beginnt mit einer Irritation: „Was ist denn das da? Kann es sein, dass die Jungs beim Auspacken der Gemälde dieses hellbraune Klebeband ...? Was für eine Schlamperei, diese Künstler!“ Doch kaum hat der Betrachter richtig mit dem ja oft so nötigen Kopfschütteln begonnen, merkt er - was ihm eigentlich schon dämmerte - nämlich, dass er gerade mal wieder in die Kunstfalle tappt.
In dem Fall, von dem hier die Rede ist, handelt es sich sogar um eine doppelte Kunstfalle. Denn immerhin könnte es ja auch sein - oder hätte es sein können - dass der Künstler vollzugs einer so genannten Mischtechnik tatsächlich mit (ästhetisch natürlich exakt kalkulierten) Resten von Verpackungsmaterial auf seinen Bildern ..., an seinen Bildern ...? Aber nein, nicht so dieser Sebastian Herzau, von dem mancher hiesige Kunstkenner inzwischen schon zu wissen meint, dass er DER kommende hallesche Maler-Star sein könnte.
Wirkungsort Halle
Oder zumindest einer von nur ein paar wenigen Kreativen, die sich vom Wirkungsort Halle an der Saale aus einen solchen Star-Status erarbeitet haben. Oder erarbeiten könnten. Und die später auch den Entstehungsort all des Staunenswerten und Spektakulären, das auf ihren Leinwänden zu sehen ist, also den Namen des Herkunftsorts ihrer Genialitätsprodukte - Halle nämlich - mit hinaus in die Kunstwelt tragen.
Kurz und gut, Herzau hat die Klebstoffreste nicht auf seine Bilder geklebt. Und die Karton- und Wellpappe-Fetzen - wie wir sie aus Möbelhausverpackungen kennen und wie sie auch zum Einschlagen von zum Transport vorgesehenen Kunstwerken gebräuchlich zu seine scheinen - all das hat dieser Künstler natürlich nicht mit leichter, genialischer Hand aufs Gemälde geklebt oder anderweitig auf der bemalten Leinwand verankert - nein! Er hat es nur so gemalt, als hätte er ... all das ... Nur warum?
Skepsis gegenüber dem Bildraum
Erst ab dieser Frage sind wir mittendrin in der Kunst des 36-Jährigen, der - wie sein Maler-Kollege Rüdiger Giebler sagt - „eine große Skepsis gegenüber dem Bildraum“ hat. Und der, wenn man diesen Gedanken weiter denkt, den Bildraum hier durchkreuzt und aufhebt. Oder zumindest mit einer anderen, neuen, provisorischen Ebene verschachtelt. Das, wie es scheint, noch nicht ganz fertig ausgewickelte Gemälde hat mit dem Betrachter jenseits des Bildraums, der ja ein reiner Kunstraum ist, vielleicht viel mehr zu tun. Und mit dem Bildschöpfer schon gleich allemal, weil der ja, wie nur wenige auch seiner jüngeren Kreativkollegen, unterwegs ist und der - trotz der realistischen Anmutung seiner Gemälde - witzig um die Ecke denkt: Und folglich experimentell arbeitet, ja arbeiten muss.
Ein kleine und willkommene Deutungshilfe bietet übrigens der Titel der gegenwärtig in der Galerie-Nord laufenden Ausstellung von Sebastian Herzau: „The artist is a present“ - ein Motto, das den sonst üblicherweise nur präsenten Künstler gleich mal als Präsent präsentiert. Derartiges bedarf in unseren Breiten bekanntlich dringend einer sorgfältig zugeklebten Verpackung, die es für den Beschenkten dann natürlich zeitnah auszuwickeln gilt.
Übermütiges Vergnügen
Doch ein Geschenk mag dieser Künstler auch für sich selber sein. Denn so gut wie jedem seiner Bilder merkt man ein übermütiges Vergnügen an, das der Maler mit ihnen hatte. Und beim Gedankenspiel mit dem Verpackungsmaterial, in das er seine Bildfiguren buchstäblich verwickelt.
Geboren in Schönebeck im Jahr 1980, hat der inzwischen in Halle lebende und tätige Maler Sebastian Herzau nach der Schule zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert und ist nach deren Abschluss auch noch weitere drei Jahre in diesem Beruf tätig gewesen. Seit 2002 ist Herzau freier Künstler, hat später in Magdeburg die HO-Galerie gegründet und erst 2007 sein Kunststudium in Halle unter anderem bei der Professorin Ute Pleuger begonnen. Inzwischen ist der Burg-Absolvent mit zahlreichen Ausstellungen und Preisen erfolgreich.
Auch ein Begriff wie „Entwicklung“ mag hierbei ein Rolle gespielt haben. Herzau malt wohl auch seine eigene - mal als fast fertig empfundene, mal vielleicht stagnierende Auswicklung - was er dann auch noch mit Bildtiteln reflektiert, die bei seinen Selbstbildnissen auf gut Hallesch mit „Iche“ beginnen. In der Rede zur Vernissage hat Henrik Berthold folgenden Satz über Freund Herzau gesagt: „Ihm aber ist nicht nach Verlagerung, sondern nach Neubeginn.“ Doch auch dafür wäre dann einpacken mit zukleben und wieder auspacken unerlässlich. (mz)
Ausstellung in der Bernburger Straße 14. Montags bis freitags ist jeweils ab 12 Uhr geöffnet, samstags ab 10 Uhr.

