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Stadtgeschichte Halle Aufschwung und Macht im Rathaus vor 200 Jahren

Die Oberbürgermeister von Halle: Im 19. Jahrhundert regierten mehrere Männer die Stadt, nach denen Straßen benannt wurden. Doch nur zwei wurden für ihre Verdienste Ehrenbürger.

Von Silvia Zöller 10.01.2025, 06:00
Markttreiben um 1890, fotografiert von Gottfried Riehm. Links das alte Rathaus mit seiner ursprünglichen Gestaltung.
Markttreiben um 1890, fotografiert von Gottfried Riehm. Links das alte Rathaus mit seiner ursprünglichen Gestaltung. (Foto: Stadtarchiv)

Halle/MZ. - Die Oberbürgermeister des 19. Jahrhunderts sind nach wie vor in Halle präsent: Die Streiberstraße, die Bertramstraße, die Voßstraße und die Staudestraße sind nach den ersten Männern im Rathaus benannt. Sie bewirkten viel für die Stadt. Dagegen sind Straßen nicht nach den ersten Oberbürgermeistern benannt worden, die ab 1718 in Halle regierten.

So ist etwa die Streiberstraße nach Carl Heinrich Streiber (1767-1828) benannt, der in der napoleonischen Zeit als „Maire“ (Bürgermeister) bezeichnet wurde. Streiber engagierte sich für das Wohl der Bürger, versuchte Armut während der Kriegswirren zu mildern und war Fürsprecher für die Gründung des Theaters und des Solbades – beides Initiativen des Mediziners Johann Christian Reil. In dem Hallischen patriotischen Wochenblatt kündigte er zu seinem Amtsantritt 1808 an: „Ich werde alle Tage der Woche von zehn bis zwölf Uhr auf dem Municipalitätsgebäude und von zwei bis drei Uhr in meiner Wohnung für jeden zu sprechen sein.“

Johann Ferdinand August Schröner, OB von 1838 - 1842
Johann Ferdinand August Schröner, OB von 1838 - 1842
(Foto: Stadtarchiv Halle)

Ebenso fleißig hatte sich Johann Ferdinand August Schröner (1801-1859) in seiner nur vierjährigen Amtszeit für Halle engagiert. Gewählt war der in Berlin geborene Jurist für zwölf Jahre, jedoch wurde er 1842 als Geheimer Rat in die preußische Regierung berufen. Der Karrieresprung war offenbar berechtigt, denn die Stadtverordnetenversammlung beschloss, ihm das Ehrenbürgerrecht zuzusprechen. In dem Buch „Die Stadt Halle“ von Carl Hugo Freiherr vom Hagen werden Schröners Verdienste aufgelistet: Sie reichen von der Restaurierung der verfallenen Moritzkirche über die Vergrößerung des Viehmarkts am Steintor bis hin zu neuen Einkommenssteuerregelungen und dem Umbau der Zwingeranlagen zu Stadtpromenaden.

Beeindruckend ist Schröners Ansicht, wie sich Politiker und Bürger für Halle engagieren mögen: „Es kann und wird nicht fehlen, dass in unsern gemeinschaftlichen Bestrebungen mitunter verschiedene Richtungen verfolgt, dass abweichende Überzeugungen zum Streit führen, aber dieser Streit soll ehrlich und offen sein und selbst bei einer von dem einen oder anderen Teile geglaubten Verletzung müssen wir rasch der völligen Ausgleichung wieder zueilen“, zitiert ihn das Hallische patriotische Wochenblatt.

Franz von Voß, Oberbürgermeister von  1856-1880
Franz von Voß, Oberbürgermeister von 1856-1880
(Foto: Stadtarchiv)

Im wirtschaftlich aufblühenden 19. Jahrhundert wächst neben den vom König bestätigten Oberbürgermeistern aber auch immer mehr die Bedeutung des Bürgertums, schreibt Katrin Minner in der 2006 veröffentlichten „Geschichte der Stadt Halle“. Vertreter des Bürgertums, so Minner, wurden zum „Motor für den Ausbau der städtischen Infrastruktur“. Und so wird zwar unter die Oberbürgermeister-Zeit von Karl August Wilhelm Bertram (1788-1868) die wichtige Errichtung einer Eisenbahnstrecke mit Station in Halle subsumiert.

Tatsächlich engagierten sich dafür in erster Linie aber Menschen wie der Textilunternehmer und Stadtrat Ludwig Wucherer. Jedoch unterstützte Bertram auch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, indem er an der Gründung der „Handelskammer der Stadt Halle und der Saaleörter“ im Oktober 1844 beteiligt war.

Karl August Wilhelm Bertram, Oberbürgermeister von Halle 1843-1855
Karl August Wilhelm Bertram, Oberbürgermeister von Halle 1843-1855
(Foto: Stadtarchiv Halle)

Mit seiner Amtszeit von 24 Jahren übertraf Franz von Voß die seiner Vorgänger um ein Vielfaches. Und seine Aufgaben wurden komplexer: „Die wachsende Industrie verlangte für den zunehmenden Verkehr nach Investitionen in die sich entwickelnde Eisenbahn. Innerhalb der Städte wurde Platz für breitere Straßen benötigt“, hat der frühere Landeskonservator Gotthard Voß – nicht verwandt mit Franz von Voß – 2016 anlässlich des Aufhängens eines Zusatzschildes „Bildung im Vorbeigehen“ an der Voßstraße recherchiert.

Es gab zudem eine große Wohnungsnot, da die Fabriken expandierten und Arbeitskräfte anzogen. Voß machte sich für den Bau einer städtischen Gasanstalt stark und den Bau des Beesener Wasserwerks zur besseren Versorgung der Bevölkerung. Zwei Dinge, die er angeschoben hat, sind heute noch von großer Symbolkraft für Halle: Voß schenkte der Universität die beiden Löwen, die heute am Hauptgebäude zu sehen sind: Sie mussten vom Brunnen am Markt abgebaut werden. Denn dort wurde 1859 das Denkmal für Georg Friedrich Händel aufgestellt.

Der Nachfolger von Voß, Gustav Staude, gründete die hallesche Straßenbahn, ließ die Stadtbahn und die Hafenbahn bauen und setzte sich für den Ausbau der Eisenbahn Halle-Hettstedt und die Überlandbahn nach Merseburg ein. 25 Jahre widmete sich der auf Rügen geborene Jurist der Entwicklung der Saalestadt. Auch er wurde zum Ehrenbürger ernannt. Während seiner Amtszeit wuchs Halle durch die Industrialisierung rasant: Hatte die Stadt um 1880 etwa 70.000 Einwohner, so lebten dort um 1906 rund 170.000 Bürger. Durch Eingemeindungen wuchs Halle von rund 2.431 Hektar auf über 4.000 Hektar. Auch der Bau der Gasanstalten, des Elektrizitätswerks und des Stadttheaters fallen in Staudes Amtszeit. Die nächste Folge informiert über Richard Robert Rive.