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Antisemitismus-Vorwurf Antisemit-Vorwurf: Jüdischer Politologe Norman Finkelstein wehrt sich gegen Anfeindungen

19.01.2017, 10:02
Norman Finkelstein
Norman Finkelstein Günter Bauer

Halle (Saale) - Mit einer Kundgebung und Farbbeutelwürfen haben Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Antifa des Studierendenrates der Uni Halle am Montag gegen eine Vortrag des amerikanisch-jüdischen Politologen Norman Finkelstein vor dem Max-Planck-Institut für Ethnologie protestiert. Auch die jüdische Gemeinde Halle sieht den umstrittenen Wissenschaftler kritisch und nennt ihn einen jüdischen Antisemiten.

Sogar die Jerusalem Post berichtete über den Eklat im Zusammenhang mit dem zweiwöchigen Gastaufenthalt des 63-Jährigen in Halle. MZ-Redakteurin Silvia Zöller befragte Finkelstein zu den Vorwürfen, die hinter den Protesten stehen, und zu seinen politischen Ansichten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt.

Waren Sie überrascht von der Begrüßung in Halle mit einer Demonstration und der Aufforderung, ihre Veranstaltungen abzusagen?

Finkelstein: Ich war lange nicht in Deutschland, zuletzt 2003 zur Frankfurter Buchmesse. Es war nicht klar, wie ich begrüßt würde. Ich selbst sehe mich jedoch nicht mehr als radikal oder kontrovers an, ich bin heute in der Mitte des politischen Spektrums und vertrete die Zwei-Staaten-Lösung für Israel.

Ich bin als Gast in der Abteilung Recht und Ethnologie des Max-Planck-Instituts und stelle hier den Studenten meine Bücher vor, an denen ich gerade arbeite: Die Themen sind Meinungsfreiheit in der Wissenschaft und die Rechtfertigung staatlicher Gewalt am Gazastreifen.

Gerne hätte ich auch mit den jungen Leuten diskutiert, die gegen mich demonstriert haben. Leider haben sie das abgelehnt - ich würde sie jedoch gerne in einer öffentlichen Veranstaltung treffen. Ihre Ablehnung meiner Person kann nur auf falschen Informationen basieren.

Die Ablehnung ist darauf begründet, dass Sie als Antisemit angesehen werden. Wie sehen Sie diesen Vorwurf?

Finkelstein: Das ist ein Tiefschlag, wenn das gerade ein Deutscher einem Nachfahren von Auschwitz-Überlebenden vorwirft. Zu behaupten, dass meine Eltern einen Antisemiten aufgezogen haben, ist ein unmoralischer Akt, das ist inakzeptabel. Aufgrund meiner Familiengeschichte müsste ich doch verrückt sein, ein Holocaust-Leugner zu sein. Meine Eltern mussten mich alleine aufziehen, es gab keine Großeltern, keine Tanten, keine Cousins, alle wurden ausgelöscht. Wenn man nach einer tiefen Recherche zu dem Ergebnis käme, dass ich Antisemit bin, dann könnte man diese Beschuldigung machen. Nicht jedoch auf diesem unverantwortlichen Weg. Das ist nicht akzeptabel.

Das Bündnis „Halle gegen Rechts“ hat am Mittwoch die Absage eines weiteren Vortrags am Montag von Norman Finkelstein am Max-Planck-Institut gefordert. Das Bündnis wirft dem aus öffentlichen Geldern finanzierten Max-Planck-Institut vor, mit der Einladung Finkelsteins Antisemitismus eine Bühne zu geben. Der Wissenschaftler habe sich mit der Hisbollah und der Hamas solidarisch gezeigt und er leugne die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel. Finkelstein dämonisiere und delegitmiere Israel in seinen Schriften, so die Erklärung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Finkelstein überhaupt eingeladen worden ist. (szö)

Was der Politologe Norman Finkelstein zum Vorwurf seiner Kritiker sagt, er sei ein Unterstützer der Terrormiliz Hamas.

Ein weiteres Argument Ihrer Gegner ist aber auch, dass Sie beispielsweise die Hamas unterstützen würden?

Finkelstein: Ich unterstütze die Hamas nicht, ich bin kein Palästinenser, ich lebe dort nicht. Aber ich beschäftige mich in meinem neuen Buch mit der Palästinenserfrage und dem internationalen Recht. Und nach internationalem Recht ist Gaza ein besetztes Land und die Palästinenser sind daher in einen Kampf um ihre Selbstbestimmung verwickelt. Nach internationalem Recht dürfen sie sich daher mit Waffen verteidigen.

Aber das ist meiner Meinung nach keine vernünftige Strategie. Weiser wäre ein gewaltloser Massenwiderstand. Ich habe jedoch kein Recht, dies den Palästinensern zu empfehlen. Es ist nur meine Meinung. Das habe ich bei 10.000 Gelegenheiten schon gesagt. Und meine Meinung ist nicht relevant. Ich bin keine Autorität wie etwa Mahatma Gandhi oder Noam Chomsky.

Was konkret werden Sie bei ihrem Gastaufenthalt in Halle tun? Und haben Sie eigentlich schon etwas von der Stadt sehen können?

Finkelstein: Nein, einen Spaziergang durch die Stadt habe ich noch nicht machen können. Ich werde am Max-Planck-Institut unter anderem noch einen internen Workshop halten.

Weiter stehen Supervision von Studenten und Diskussionen mit ihnen über meine aktuellen Arbeiten auf dem Programm. Es entspricht akademischen Gepflogenheiten, dass man Studenten das vorstellt, woran man gerade arbeitet. (mz)