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Nur ein Missverständnis? Anschlag Halle Saale: Dönerladen Ärger mit Bundespräsident

Von Oliver Müller-Lorey 15.10.2019, 06:00
Frank-Walter Steinmeier (r.) hatte am Tag nach dem Anschlag einen Kranz vor dem Döner-Imbiss abgelegt.
Frank-Walter Steinmeier (r.) hatte am Tag nach dem Anschlag einen Kranz vor dem Döner-Imbiss abgelegt. dpa

Halle (Saale) - Vor dem „Kiez-Döner“-Imbiss auf der Ludwig-Wucherer-Straße sind die ersten Kerzen bereits erloschen, doch noch immer kommen frische dazu, so als solle das Lichtermeer ewig weiterbrennen. Die Stadt versucht, den Anschlag mit zwei Todesopfern zu verarbeiten. Besonders schwer ist das für Izzet Cagac, den Inhaber des Dönerladens, in dem am Mittwoch das zweite Opfer erschossen worden war.

Er hatte sich in den vergangenen Tagen nicht nur über fehlende Anteilnahme vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier während seines Kondolenzbesuchs geärgert, sondern auch mit negativen Fake-Bewertungen über sein Geschäft im Internet zu kämpfen.

Google löscht böse Fake-Bewertungen über Döner-Imbiss

Nutzer hatten etwa geschrieben, dass die Bedienung „alles fallengelassen“ habe und sich andere hinter dem Kühlschrank versteckt hätten - als Anspielung auf die Panik im Restaurant und den Versuch des Opfers, sich in Sicherheit zu bringen.

Doch am Montagnachmittag gibt es ein Fünkchen Hoffnung für Cagac. Google löschte die falschen Bewertungen und es kam doch noch zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Bundespräsidenten. Euphorisch schrieb der Ladenbetreiber auf Facebook: „Nach einem langen Gespräch mit unserem Präsidenten Herrn Steinmeier bin ich sehr dankbar.

Herr Präsident, ich danke Ihnen für die schönen Sätze und für Ihre weisen Worte. “

Steinmeier hatte bei Besuch in Halle nicht mit Mitarbeitern gesprochen

Was für ein Stimmungswandel! Am vergangenen Donnerstag hatte Steinmeier für eine knappe Stunde die Synagoge besucht und anschließend einen Kranz vor dem Imbiss abgelegt. Cagac hatte sich sehr enttäuscht darüber gezeigt, dass der Bundespräsident kein Wort an seine Mitarbeiter verloren habe. Auf Facebook schrieb er: „Meine Mitarbeiter sind immer noch unter Schock. Der Bundespräsident hätte ihnen auch ein, zwei Sätze sagen können.“

Natürlich sei es Steinmeiers Pflicht gewesen, der jüdischen Gemeinde seine Anteilnahme auszudrücken. „Aber in der Synagoge ist ja Gott sei Dank nichts passiert. Die Frau ist es, die ermordet wurde und in unserem Geschäft wurde ein junger Mann ermordet.“ Steinmeier setze falsche Prioritäten. „Ich sehe ihn als Vater des Landes, der sich um alle Kinder kümmern muss und nicht einige bevorzugen darf“, so Cagac, der Kurde ist und aus der Türkei stammt, aber die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Dennoch habe ausgerechnet das türkische Konsulat mehrfach angerufen und Hilfe angeboten.

Bundespräsidialamt hatte Dönerladen-Mitarbeiter nicht erreicht

Das Bundespräsidialamt hatte die Kritik allerdings zurückgewiesen. Denn offenbar hatten sich die Restaurant-Mitarbeiter während der Kranzniederlegung nicht zu erkennen gegeben. Zur Zeit des Anschlags und an den Folgetagen war Cagac nicht in Halle. Seine Mitarbeiter sprachen mit Journalisten und waren auch bei der Kranzniederlegung anwesend, wie der Angestellte Ismet Tekin, der MZ bestätigte. „Ich habe mich nicht zu erkennen gegeben, weil ich davon ausgegangen bin, dass ich angesprochen werde. Das ist aber nicht passiert“, so Tekin.

Eine Sprecherin des Bundespräsidenten erklärte gegenüber der MZ, man habe vor dem Besuch des Bundespräsidenten versucht, mit dem Besitzer des Döner-Imbiss Kontakt aufzunehmen, was nicht gelungen sei. „Der Laden war zu dem Zeitpunkt des Besuchs des Bundespräsidenten noch als Tatort abgesperrt und geschlossen.“ Auf mehrere Kontaktversuche seitens des Bundespräsidenten habe es keine Rückmeldung gegeben, hieß es vom Präsidialamt am Nachmittag, bevor das Telefonat doch noch zustande kam. Für Cagac muss es äußerst positiv verlaufen sein. Wieder auf Facebook bat er am Abend: „Bitte keine negativen Sprüche gegenüber unserem Präsidenten. Er hat angerufen und mir sehr schöne Sätze gesagt. “ (mz)