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Als noch Quark im Mörtel war

Von HEIDI POHLE 07.05.2010, 18:12

HALLE/MZ. - Das barocke Haus in der Rannischen Straße 3 / Ecke Sternstraße ist zwar noch unter Bauplanen verborgen. Doch schon bald wird sich das historische Gebäude in alter Schönheit zeigen - mit einem vor kurzem freigelegten etwa 800 Jahre alten Wohnturm (die MZ berichtete). Und mit einem prächtigen Sandstein-Portal. An diesen einst mutwillig zerstörten Hauseingang hat Johannes Spengler, freiberuflicher Denkmalpfleger, ganz besondere Erinnerungen.

"Das Portal der Rannischen Straße 3 wird gerade abgehackt." Dieser Satz schlug vor fast genau 22 Jahren, am 12. Mai 1988, ein wie eine Bombe. "Wir wollten unseren Ohren nicht trauen", so Spengler, der damals im Volkseigenen Betrieb (VEB) Denkmalpflege arbeitete, "als uns ein Kollege diese Katastrophen-Nachricht überbrachte." Denn das Portal an dem barocken Haus war nicht irgendein Portal. Es stammte vielmehr aus dem 18. Jahrhundert und stellte ein unwiederbringliches Zeugnis alter Handwerkskunst dar.

"Wir sind damals sofort zu dem Haus gerannt, das gerade instand gesetzt wurde", so Spengler, "und haben noch mitbekommen, wie Bauarbeiter den reich verzierten oberen Teil des Portals, die Bekrönung, mit dem Presslufthammer abschlugen." Die Teile, darunter der Wappenstein, konnten zum Glück geborgen und in der Saline eingelagert werden. Dass sie je wieder Verwendung finden könnten, hatte Spengler nicht geglaubt. Doch nun wird das Portal wie das gesamte Haus saniert.

Eine Arbeitsgruppe mit mehreren Fachleuten ist dabei, die alten Teile, wozu auch die noch am Haus verbliebenen Portal-Gewände gehören, aufzuarbeiten und fehlende zu ergänzen, wie Bildhauer Christof Traub erzählt. Der Hallenser wirkt mit seinen Brüdern Markus und Johannes ebenso mit wie Steinmetzmeister Olaf Korger und andere. Auch die Holztür mit den filigranen Ziergittern wird restauriert.

Schon das Portal allein würde das Haus zu etwas Einmaligem machen. Doch das Gebäude, das um 1700 erbaut wurde, hat noch mehr zu bieten. Gleich links vom Eingang befindet sich eine romanische Wohnturm-Wand, die aus dem zwölften Jahrhundert stammt und zwei kleine Doppelbogen-Fenster hat, die frei gelegt werden konnten.

Trotz seiner rund 800 Jahre hat das etwa 80 Zentimeter dicke und zehn Meter hohe Gemäuer aus hellem Bruchstein-Mauerwerk nichts von seiner Standfestigkeit eingebüßt, wie Johannes Spengler erklärt. Der alte Fugen-Mörtel ist noch immer hart wie Stein. "Da waren Profis am Werk", urteilt Spengler über die Handwerker von anno dazumal. Wahrscheinlich wurde Quark in den Mörtel gemischt.

Wer den Wohnturm einst erbauen ließ, der damals noch etwas größer war und durch Umbauten im 18. Jahrhundert verändert sowie verputzt wurde, ist nicht bekannt. Ein Wohlhabender war es sicherlich, der sich von dem Turm Schutz vor Überfällen versprach. Aus Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert geht hervor, dass sich dort der Ausspann-Gasthof "Zur goldenen Gans" befand. Im 18. Jahrhundert war das Haus, das an einem Fernhandelsweg lag, dann die Herberge "de Prusse" (Preußen). Zu den späteren Eigentümern gehörten Kaufleute ebenso wie Handwerker, darunter ein Kupferschmied.

"Das Gebäude ist eines der bauhistorisch interessantesten der Stadt", erklärt Andreas Rühl von der unteren Denkmalschutzbehörde. Obwohl es auch Wohntürme im Ackerbürgerhof (Große Klausstraße) sowie in der Kutschgasse gebe, sei der in der Rannischen Straße jener, den man am besten sehen könne, wenn die Gerüste verschwunden sind. Dann werde wohl kein Stadtführer an dem Baudenkmal vorbeikommen - auch wenn die dicke Mauer längst noch nicht alle Details preisgegeben hat. Architekt Günter Gernhold, der die Sanierung und den Neubau mehrerer Häuser in der Straße betreut, rechnet, dass das Haus Ende des Jahres bezugsfertig ist, später als geplant. Der unerwartet zum Vorschein gekommene Wohnturm habe mehr Zeit und auch Geld gekostet.