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Abschied ohne traurigen Abgesang

Von TRIXI RITTER 13.10.2008, 16:35

HALLE/MZ. - Manche Ereignisse muss man nicht geheimnisumwittern. Dass sich ankündigender Nachwuchs einer der Gründe ist, von einem in Halle zur Tradition erwachsenen Festival vorerst Abschied zu nehmen, verkündet Steffi Lampe - Puppenspielerin und Organisatorin - des Figurensommers in ihrer letzten Rede zwar mit der Vorfreude einer werdenden Mutter, aber natürlich auch nicht ohne Wehmut.

Das Festival war eine Idee der Leidenschaft. Geld wurde nicht verdient, Zeit, Energie und Improvisationstalent brauchte es massig "Jetzt müssen Prioritäten erst einmal anders verteilt werden, das ist eine normale Entwicklung im Leben", überlegt die inzwischen in Leipzig beheimatete Künstlerin. "Das Festival erforderte einen gewaltigen Aufwand, nicht zuletzt, weil wir uns auch um die Dixi-Toiletten und das Wegräumen der Zigarettenkippen selbst kümmerten."

Während der Giebichensteiner Burggraben dem Figurensommer in den Vorjahren als Veranstaltungsort diente und verlässlich eintretender Regen oft zum notdürftigen Beseitigen tiefer Pfützen animierte, wurde das Musik- und Kunstfestival nun als Figurenherbst im Circus-Varieté beendet. Auf der Gitarre spielend sang Eva Maria Emmer kleine Sommermelodien, so honigsüß, wie sie Capotes Holly Golightly am Fenster sitzend in den Himmel schicken würde. Die Hallenserin spielte spanische Impressionen, eigene Stücke und bekannte Klassiker. Wenn sie sich ein Lied von Rod Stewart schnappt und ihre engelsgleiche Stimme zur Gitarre spazieren lässt, möchte man das Original eigentlich nie wieder hören.

Das Felgentreu-Grünmeffert Theater Babelsberg amüsierte und neckte das Publikum mit unbekümmerten Neuverwertungen der Werke von Friedrich Schiller und Julius Wolf. Mag sich das Einbeziehen des Publikums auch gelegentlich als ein Unterfangen mit ungewissem Ausgang erweisen - Franz Henry Felgentreu und seine Gastdozentin für Literatur, Herta Hutzler-Grünmeffert, sorgten sich um Scham und Scheu der Gäste herzlich wenig. Wer anwesend war, wurde zum Krawall angestiftet. Inhaltliche Fragen zu Schillers "Die Kaution" galt es mit jenen aus seiner "Bürgschaft" in vereinter Unwissenheit zu vergleichen. Franz Henry brachte das Kichern und Glucksen der Gäste schon allein aufgrund seiner Erscheinung auf die richtige Seite. Als fleischgewordene männliche Variante einer Stummfilmdiva verstand er sich vortrefflich darauf, mit Wangen, Nase und Augenbrauen zu schaukeln - und auch das Mienenspiel seiner Doktorandin für "Linguistik im Bereich der Umlaute" ließ auf agile Gesichtsmuskeln schließen und bekleidete das Figurenfestival mit letzten, heftigen Zügen.

"Ich möchte keinen traurigen Abgesang anstimmen", beschloss Steffi Lampe an diesem Abend. "Das Festival wird uns allen fehlen. Aber ich bin sicher, dass wir schon recht bald neue Pläne entwickeln."