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50 Jahre Kirchengemeinde Passendorf 50 Jahre Kirchengemeinde Passendorf: Zwischen Träumerei und regimekritischen Aktionen

Von Detlef Färber 02.09.2017, 14:00
Im Kirchenhof Passendorf: Pfarrer Heiner Urmoneit (M.) mit Ruth Strecker, Ellen Kohl und Rolf Kießling (v.l.)
Im Kirchenhof Passendorf: Pfarrer Heiner Urmoneit (M.) mit Ruth Strecker, Ellen Kohl und Rolf Kießling (v.l.) Lutz Winkler

Halle (Saale) - Das Goldjubiläum von Halle-Neustadt ist bereits Geschichte. Das der Kirchengemeinde Neustadt steigt dagegen erst kommende Woche. Warum diese Verzögerung? Sie hängt zusammen mit der staatsoffiziellen Träumerei von einer „neuen Gesellschaft“ mit einem neuen Typ Mensch, wie sie gerade in den 1960er Jahren noch in vielen Köpfen maßgeblicher Leute herumspukte.

Deshalb wurde westlich der Saale in der Ära des SED-Bezirksfürsten Horst Sindermann der Bau der „sozialistischen Zukunftsstadt“ begonnen. So etwas wie kirchliches Gemeindeleben war darin aber gelinde gesagt nicht vorgesehen.

Aktuell 2.000 evangelischen Christen in Halles größtem Stadtteil

Allerdings waren unter den vielen tausend jungen Leuten, die aus Halle oder von weit her aus der ganzen DDR in die Neustädter Wohnungen zogen, auch viele Christen. Und die begannen sich zu sammeln, um Gemeinschaften zu bilden: In den fast schon legendären Neustädter Hauskreisen zunächst - bis es auch offiziell zur Gründung der Neustädter Gemeinde auf dem Gelände der alten Passendorfer Kirche kam.

Genau 50 Jahre ist das jetzt her - und ist den Aktiven unter den aktuell 2.000 evangelischen Christen in Halles größtem Stadtteil eine ganze Festwoche wert. Am Sonntag beginnt sie mit einem ökumenischen Gottesdienst.

Passendorf: Ein halbes Jahrhundert Kirche in schwierigem Umfeld

Ein halbes Jahrhundert Kirche in schwierigem Umfeld, das wird dabei natürlich auch Thema von Vorträgen, Diskussionen und einem regen Erinnerungsaustausch sein. Familiäres und Historisches sind kaum zu trennen, wenn die alten Neustädter erzählen, die als junge Familien allesamt ihre erste Wohnung in den neuen Plattenbauten bekommen und ihre Kinder in der damals jüngsten Stadt der DDR großgezogen haben.

Rund um die alte Passendorfer Kirche entstanden dann auf dem Hof Räume für eine Gemeinde, die 5.000 Mitglieder in ihren besten Zeiten und drei Pfarrer hatte und in der auch ein Jugenddiakon namens Lothar Rochau tätig war, der wegen seiner regimekritischen Aktionen im Stasi-Knast landete und später in den Westen abgeschoben wurde, bevor er nach der Wende zurück nach Halle kam.

Eine Konstante in der Neustädter Gemeinde war Kantor Peter Burkhardt

Eine Konstante in der Neustädter Gemeinde war Peter Burkhardt, der hier 30 Jahre lang die Kantorei leitete. Und mit Martin Herzfeld, der heute Superintendent in Thüringen ist, wird einer der einstigen Pfarrer am 10. September die Predigt beim Festgottesdienst halten.

Nach 1990 musste vieles von dem, was in den frühen Jahren nach DDR-Standard gebaut wurde, modernisiert oder neu gebaut werden. Auch der Himmel unterm Kirchendach stammt aus jüngerer Zeit. Nur die Kirchenheizung, die in den 1970er Jahren dank einer hohen privaten Spende installiert werden konnte, wartet inzwischen auf Erneuerung.

„An so einer Kirche gibt es immer wieder was zu tun“, sagt Rolf Kießling, einer der Kirchenvorstände, die mittlerweile zwar nicht mehr in Neustadt wohnen, aber weiterhin der Gemeinde angehören: Ein Zeichen dafür, wie stark die gemeinsam erlebten Jahrzehnte verbinden.

Kirchengemeinde Passendorf: Die Höhepunkte der Festwoche

Die Festwoche in Passendorf beginnt am Sonntag und endet am 10. September jeweils mit Gottesdiensten (10.15 Uhr). Am 4. September spricht der Kirchenhistoriker Friedemann Stengel zum Thema „Christsein in der DDR“. Am 7.9. hält Gemeinde-Mitbegründer Rolf Gröger einen Vortrag über „Die ersten Jahre“ und am Abend des gleichen Tages, 19.30 Uhr, gibt es ein Konzert mit Leopoldo Saracacino (Gitarre) und Ronny Mausolf (Violine). Am 9.9,, 14 Uhr, beginnt das Gemeindefest zum Jubiläum. (mz)

Spektakulär: Dorfkirche Passendorf mit Himmel
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Lutz Winkler