Mansfelder Bergwerksbahn Mansfelder Bergwerksbahn: Dampflok 20 gebaut als Reparationsleistung

klostermansfeld/MZ - Die meisten Eisenbahnbegeisterten, die an der diesjährigen Pfingstausfahrt mit der Mansfelder Bergwerksbahn teilnahmen, ahnten nicht, welch eine spannende Geschichte sich mit der Dampflok 20 verbindet.
Eigentlich hat die Dampflok eine andere Bezeichnung. Ursprünglich hieß sie GR 320 (GR steht für Germanskaja Reparazia – übersetzt: deutsche Reparation). Sie wurde 1951 bei der Firma Orenstein & Koppel in Potsdam-Babelsberg fertiggestellt und war eine von insgesamt 425 Dampflokomotiven, die von 1947 bis 1951 als Reparationsleistungen für die damalige Sowjetunion gebaut wurden, weiß Thomas Fischer vom Verein Mansfelder Bergwerksbahn zu berichten.
1954 bekam das Mansfeldkombinat zwei dieser 250 PS starken Schlepptenderloks zugesprochen. Sie fuhren unter den Nummern 19 und 20 durch das Mansfelder Land. „Sie waren durch den Schlepptender für Waldbahnen mit Holzbefeuerung konzipiert“, erklärt Fischer.
Nach der Wende machte er sich mit einigen Vereinsmitgliedern auf die Suche nach Dampfloks, vor allem nach Ersatz für die bereits 1968 verschrotteten Loks. „Große Hoffnung hatten wir nicht, wenigstens ein erhaltenswertes Exemplar zu finden“, erinnert er sich. In Estland wurde der Verein 1995 fündig. Dort existierten noch zwei Exemplare dieser Baureihe. Eine davon, stand in Lavassaare zum Verkauf, erfuhr Fischer vom estnischen Eisenbahnfan Peter Klaus.
10 000 D-Mark sollte die Lok kosten. Und fast noch einmal soviel mussten für Transport und Zoll aufgebracht werden. Allerdings war die Lok zwar aufarbeitungswürdig, aber dennoch in einem erbärmlichen Zustand, sagt Fischer und holt ein Foto der ramponierten Dampflok von 1996 hervor.
Die Aufarbeitung der Dampflok durfte der Verein bei der Malowa durchführen. Es fehlten aber noch Fachleute, die die notwendigen Arbeiten ausführen konnten und auch die Zeit dazu hatten, so Fischer. „Wir konnten dann ehemalige Schlosser der Malowa gewinnen, die eigentlich schon im Vorruhestand waren“, erinnert sich der rührige Vereinsvorsitzende.
Zu der Dampflok gab es noch einen prall gefüllten Aktenordner dazu, in dem alle technischen Details und alles, was die Lok so erlebt hat, dokumentiert wurde. „Sie ist mehr herumgekommen, als so mancher moderner ICE“, so Fischer lachend. Erst fuhr sie in der Ukraine, dann in Litauen und zuletzt in Estland, wo sie ab 1970 nicht mehr eingesetzt werden durfte. In den folgenden elf Jahren wurde sie dann als Dampfspender zum Dünsten von Kartoffeln eingesetzt. Da hatte die Lok immerhin schon 613 000 Kilometer abgespult, liest Fischer aus dem dicken Aktenordner vor.
Darin steht auch, das sie am 31. November 1955 einen Zusammenstoß mit einem Wolga (Pkw) und später noch einen Unfall mit einem Omnibus hatte. Ihren schwersten und bis dato letzten Unfall hatte die Dampflok 2009 in ihrem zweiten Leben als Nummer 20 bei der Mansfelder Bergwerksbahn. Sie war an die Lößnitztalbahn verliehen und ist im Lößnitzgrund (Radebeul bei Dresden) mit einem entgegenkommenden Zug, der Haltesignale überfuhr, kollidiert.
„Der Schaden von mehreren Hunderttausend Euro wurde zwar von der Versicherung übernommen, aber wir mussten dennoch 60 000 Euro draufzahlen“, beklagt der Vereinsvorsitzende. Erst seit August 2011 fährt die Lok wieder durch das Mansfelder Land.
Doch auch von der originalen Lok Nummer 20 und deren Lokführer weiß Fischer interessante Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel vom Lokführer Gustav Ungewitter aus Klostermannsfeld (31.01.1900 – 16.11.1979). Weil er seit 1936 als NSDAP-Mitglied den Beitrag in seinem Heimatort kassierte, wurde er 1945 von einem Nachbarn „verraten“ und kam umgehend in russische Gefangenschaft ins KZ Buchenwald.
Nur zwei von den insgesamt 26 inhaftierten Klostermannsfeldern kamen 1948 zurück. Ungewitter war dabei. In Buchenwald erkannte ihn ein russischer Offizier, der bei ihm als Zwangsarbeiter (Heizer) eingeteilt war und von ihm gut behandelt wurde. Der Offizier teilte ihn in Buchenwald häufig zum Saubermachen der Offiziersbaracke ein. Bei dieser Gelegenheit erhielt er heimlich bessere Rationen.
Zurück in der Heimat, besetzte er ab 1954 als Stammlokführer die Original-Lok 20. Am 17. Juni 1961 geschah an der Station Bocksthal ein Unfall. Die Lok kam mit Waggons aus Richtung Helbra, Tender voran, und kippte fast um. War der Unfall schon schlimm genug, wurde daraufhin dem pflichtbewussten Lokführer noch Revanchismus und Sabotage vorgeworfen.
Von diesem Vorwurf hat sich Gustav Ungewitter nie erholt. Und er durfte auch nicht mehr seinen geliebten Beruf als Lokführer ausüben. Von 1961 bis 1963 war er mit einer Tuberkulose- Erkrankung auf der Rammelburg in Behandlung und ging dann 1965 in Rente.
