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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Spuren des Todesmarsches führen bis nach Wiederstedt

Von BURKHARD ZEMLIN 23.06.2011, 17:00

WIEDERSTEDT/MZ. - Heinz Borgmann kann sie noch immer hören, die schlurfenden Schritte der Häftlinge, die kurz vor Kriegsende in ihren Holzpantoffeln von ihren Bewachern durch einen Teil des Mansfelder Gebirgskreis getrieben wurden. "Die ersten habe ich vor Meisdorf gesehen", erinnert sich der Agrar-Ingenieur vor Abiturienten, die im Rahmen eines Workcamps der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge auch im Mansfeldischen nach Spuren des Todesmarsches der Häftlinge suchten.

Die jungen Leute interessieren sie für die Stätten, an denen die Häftlinge gelitten haben und möchten aus erster Hand erfahren, was im April 1945 auf den Straßen zwischen Welbsleben, Quenstedt, Arnstedt und Wiederstedt passiert ist.

Heinz Borgmann war damals 14 Jahre alt und Eleve, also Lehrling, in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Meisdorf. Angesichts der anrückenden Amerikaner sagte sein Chef: "Seht zu, dass ihr nach Hause kommt." Und so machten sich Borgmann und der drei Jahre ältere Wilhelm Mertens aus Bösenburg zu Fuß mit einem Handwagen auf den Weg.

"Es müsste am 12. April gewesen sein, ich kann es nicht mehr genau sagen", überlegt er. Sicher ist er jedoch, schon früh 3.30 Uhr mit seinem Kumpel aufgebrochen zu sein. Wegen der Tiefflieger, die ungefähr ab um 9 Uhr "auf alles, was sich draußen bewegte", geschossen haben.

An der Feldscheune zwischen Meisberg und Ermsleben, die heute noch steht, entdeckten sie aus der Ferne vermeintliche Flugzeugteile. Doch tatsächlich handelte es sich um erschossene Häftlinge, die in ihren grauen Drillichen auf einem Haufen lagen. Die beiden Jungen sollten am Straßenrand noch weitere Tote sehen. Heinz Borgmann: "Ich weiß nicht mehr, ob sie vor oder nach Welbsleben lagen. Aber vor Quenstedt lagen wieder welche, alle mit Kopfschuss, vielleicht drei oder vier. Hinter Quenstedt in Richtung Arnstedt lagen ebenfalls tote Häftlinge im Straßengraben."

Die Schüler hören aufmerksam zu. Sie sind alle 18 bis 19 Jahre alt und haben im Evangelischen Schulzentrum Leipzig die Abiturprüfungen hinter sich. Alle engagieren sich in der "Aktion Sühnezeichen - Friedensdienste", die sie auch zur Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge führte, wo sie Biografien von Häftlingen erstellten, und schließlich nach Welbsleben und Wiederstedt.

Was ihnen Borgmann aus seinem Erleben erzählt, ist für den 19-jährigen Vincent "extrem wichtig", wie er es ausdrückt. Auch Markus zeigt sich beeindruckt. Die Gruppe hat ihrem Gastgeber ein Geschenk aus der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge mitgebracht, den Ableger eines Kirschbaums. Möge er in Wiederstedt Wurzeln schlagen, hoffen Eva, Tosca und Carla. Heinz Borgmann hat das Bäumchen bereits eingepflanzt.