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GSG-Gesellschaft Mansfelder-Land GSG-Gesellschaft Mansfelder-Land: Neuer Geschäftsführer spielte mit falschen Karten

Von Wolfram Bahn 25.11.2016, 10:00
Bei der GSG in Helbra führte ein falscher Doktor die Geschäfte.
Bei der GSG in Helbra führte ein falscher Doktor die Geschäfte. Lukaschek

Helbra - Diese Geschichte ist mehr als grenzwertig. Wir schreiben das Jahr 1994. Da wird Hans-Peter Sommer mit einem Vorfall konfrontiert, der ihn sprachlos macht. Es geht um den damaligen neuen Geschäftsführer der Gesellschaft zur Sanierung und Strukturentwicklung Mansfelder Land mbH , kurz GSG, mit Sitz in Helbra. Der Mann stammt aus der Pfalz und er hat - wie sich später herausstellt - mit falschen Karten gespielt.

Landrat Sommer ist 1994 schwer beschäftigt: Landkreise Eisleben und Hettstedt werden zusammengelegt

Sommer ist damals gerade zum Landrat des neuen Landkreises Mansfelder Land gewählt worden. Der heute 72-jährige Hettstedter hat in jener Zeit „viel um die Ohren“, wie er es ausdrückt. Schließlich muss er den Zusammenschluss der Landkreise Eisleben und Hettstedt ordentlich über die Runde bringen. Das geht allerdings auch damit einher, dass der Landkreis plötzlich 70 Prozent der Anteile an der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft GSG hält.

Sie ist gegründet worden, um das Ökologische Großprojekt zur Sanierung der Altbergbauflächen in der Region umzusetzen. Tausende ABM-Kräfte werden beschäftigt, um nach dem Aus des Kupferbergbaus die leerstehenden Fabrikgebäude abzureißen und das Gelände zu beräumen. Auch in Helbra, wo die Rohhütte steht, kommen sie zum Einsatz. Übrig geblieben ist nur noch das Verwaltungsgebäude, in dem die GSG bis heute sitzt.

Am 1. Januar 1994 tritt der neue Chef der GSG seine Stelle an: Noch ahnt niemand etwas

Am 1. Januar 1994 tritt der neue Chef der Gesellschaft dort seinen Posten an. Ausgestattet ist er mit einem gut dotierten Geschäftsführervertrag. Ein jährliches Salär von 150.000 D-Mark wird ihm zugestanden. Dazu kommen später weitere ominöse Zugeständnisse für den Fall, dass er krank wird oder stirbt. Jeder Hüttenwerker, der nach dem Ende des Mansfeld-Kombinates den Job verloren hat, hätte diesen Vertrag sofort mit Kusshand unterschrieben. Nicht so der angebliche Doktor aus der Pfalz.

Hans-Peter Sommer wurde am 20. Februar 1944 im heutigen Humboldt-Schloss in Hettstedt-Burgörner geboren. Sein Vater, ein Österreicher, fiel im Frühjahr 1945. Seine Mutter stammte aus Mansfeld. Nach dem Studium hat Sommer bis 1990 als Lehrer für Physik, Mathematik, Astronomie und ESP gearbeitet. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das CDU-Mitglied der erste Landrat des Landkreises Hettstedt.

Nach der Fusion mit Eisleben wurde Sommer im Jahre 1994 zum Landrat des Landkreises Mansfelder Land gewählt. Dieses Amt hatte er bis zur Bildung des Landkreises Mansfeld-Südharz zum 1. Juli 2007 inne. In dieser Zeit hat er viel erlebt. Für die MZ plaudert der Ex-Landrat aus dem Nähkästchen.

Er hat sich zuvor bei der Gesellschafterversammlung gegen einen Mitbewerber durchgesetzt. Als es aber um sein Gehalt geht, erscheint ihm die vorgeschlagene Summe zu gering. Er verlässt den Saal in Eisleben „und wollte nach eigener Aussage zum Bahnhof“, erinnert sich Sommer. Als sich die Bewertungskommission daraufhin erneut zusammensetzt, um zu beraten, wie es weitergeht, „taucht er plötzlich wieder auf und erklärt, dass er doch zur Verfügung steht“, so Sommer, der damals als Noch-Landrat von Hettstedt nicht an den konkreten Verhandlungen beteiligt ist.

Erstmals hellhörig wird er, als der neue GSG-Chef ihm merkwürdige Faxe schickt. Darin heißt es unter anderem, dass er Termine in Paris ausgemacht habe. Eines Abends erreicht ihn sein Anruf. Er habe ein Treffen in Tokio vereinbart und fragt an, ob der Landrat nicht mitfliegen wolle. „Das kam mir alles ziemlich spanisch vor“, so der heutige Pensionär, der als Landrat sein Dienstfahrzeug kaum benutzt, sondern häufig mit dem eigenen Auto unterwegs ist.

Landrat Sommer stellt Pfälzer zur Rede: Doktortitel war erlogen

Der Mann wird ihm „immer unheimlicher“. Als er mitbekommt, dass der Pfälzer ein „regelrechtes Arsenal an Funktelefonen gehortet hat“, kann Sommer nur den Kopf schütteln. Dann schreitet er das erste Mal ein. Im Juli 1994 wird ruchbar, dass der GSG-Chef seinen Sohn einstellen will. „Das habe ich ihm natürlich untersagt.“ Doch es bahnt sich da schon der nächste Eklat um den Geschäftsführer an.

Ein Mitglied der Kreishandwerkerschaft steckt dem Landrat, er solle doch mal dessen akademische Laufbahn prüfen. Sommer schaut in die Bewerbungsunterlagen und findet auf der vermeintlichen Diplom-Urkunde von 1965 mehrere grammatikalische Fehler. Das erscheint ihm sehr ungewöhnlich. Er setzt sich mit der Universität in Mannheim in Verbindung und die bestätigt den Verdacht.

Der zuständige Regierungsdirektor teilt Sommer mit, dass der Genannte an der Universität unbekannt sei und er am besagten Datum keine Diplomprüfung abgelegt habe. Als der Landrat den Pfälzer in Helbra zur Rede stellt, läuft der puterrot an und gibt zu, dass er keinen Doktortitel besitzt. „Ich habe ihn daraufhin mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit entbunden“, so Sommer. Der falsche Doktor packt zwei Alukoffer und verlässt fluchtartig das Büro. Sommer, der noch Anzeige erstattet, hat nie wieder was von ihm gehört. (mz)