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Erkennen fällt nach 50 Jahren schwer

10.10.2007, 16:05

Wippra/MZ/tt. - Die meisten ehemaligen Mitschüler habe sie die 50 Jahre über nie wieder gesehen.

Schon am Vorabend des Treffens hatte sie Gäste im Hotel "Wippraer Hof" angesprochen, ob sie auch zur Konfirmation gehören. So begegnete Frau Schneider bereits Jürgen Merker, mit dem sie einst zur Schule ging. Dessen Schwester Heidemarie hatte vor zwei Jahren in Wippra ihre Goldkonfirmation gefeiert und vorsorglich gleich die Adresse des Bruders, den es in das 400 Kilometer entfernte Bremen verschlagen hat, dort gelassen.

Das jetzige Treffen organisierte Rita Fuß, die im Wippraer Gemeinderat tätig ist. Nach so vielen Jahren fiel es den Teilnehmern des Jubiläumsfestes schließlich schwer, die Mitschüler von einst wiederzuerkennen. So stellten sich die einzelnen Gäste vor. "Mein Opa war der Direktor Fritz Bosk", sagte beispielsweise Helmut Morgenroth aus Borstel.

Er hatte 380 Kilometer zurückgelegt, um in Wippra dabei zu sein. 1948 war er in Wippra eingeschult worden und verlebte im Ort "die schönste Kindheit, die man sich wünschen kann". Zwar mussten sie jeden Tag fünf Kilometer barfuß bis zur Schule laufen und durften erst vor dem Ortsschild die Schuhe anziehen, aber am Nachmittag gehörte der Wald ihnen. "Wir kannten jeden Pilz und jeden Fisch, wussten, wo wir Honig herbekommen", schwärmte Morgenroth weiter. Auch Helga Bredemeyer erinnerte sich gern zurück.

Nach einem Erinnerungsfoto auf den einstigen Schultreppen, dem heutigen Gemeindebüro, wurden von Alfred Wüstemann für die Konfirmanden die Türen des Hauses geöffnet, und den meisten Jubilaren kam bei dieser Gelegenheit dieses mulmige Gefühl von einst wieder in den Sinn. "Man haben wir hier Senge bekommen", erinnerte sich Morgenroth, als er das frühere Klassenzimmer betrat.

Die ehemalige Pastorentochter Elisabeth Münzenberg aus Osnabrück erinnerte sich, dass sie nach der Schule in Wippra auf die erweiterte Oberschule ging und dort einst rausgeworfen wurde. "Keine Schule der DDR würde mich wieder aufnehmen, hieß es damals, weil mein Elternhaus keine Gewährleistung für eine sozialistische Erziehung bietet", erzählte sie. Noch heute erinnert sie sich, wie sogar Leute aus dem Ort die Straßenseite gewechselt haben, wenn sie als Jugendliche dort entlang ging.

Natürlich wurden auch die alten Fotos angeschaut. Fast 60 Jahre ist es nun her, als das einstige Einschulungsfoto entstand. "Meine Zuckertüte war bis oben hin mit Holzwolle gefüllt. Oben drauf lagen einige Stückchen Mohrrübe, die in Zucker gewälzt waren", so Morgenroth, der mit seinen Geschichten die Zuhörer in seinen Bann zog.

Und von diesen Geschichten gab es noch einige an jenem Nachmittag. Es wurden natürlich auch Adressen und Telefonnummern ausgetauscht, damit man sich nicht wieder aus den Augen verliert.