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Zwischen Angst und Hoffnung Zwischen Angst und Hoffnung: Freischaffende Künstler in Dessau-Roßlau kämpfen sich durch die Krise

Von Sylke Kaufhold 24.11.2020, 11:19
Astrid Salewski und Henriette Funke nutzen die Novembersonne für ein persönliches Treffen im Freien.
Astrid Salewski und Henriette Funke nutzen die Novembersonne für ein persönliches Treffen im Freien. Thomas Ruttke

Dessau - Musik, Filme, Bücher, Museen, Theater - all das gehört zu unserem Leben. Es bereichert, inspiriert und unterhält. Wieviel ärmer wäre unser Alltag ohne all diese Werke? Geschaffen von Künstlern, die in diesen Monaten mehr denn je um ihre Existenz bangen. Denn Galerien, Theater, Kinos sind wegen der Coronapandemie zum zweiten Mal in diesem Jahr geschlossen.

Jette Funke ist freiberufliche Grafikerin und Kommunikationsdesignerin. Aufträge hat sie in diesen Wochen kaum. „Poster, Plakate, Flyer braucht keiner, was soll darauf angekündigt werden?“ Sie müsse ihre Tätigkeit auf neue Füße stellen und neue Geschäftsfelder erschließen, will sie eine Chance haben, sagt sie.

Online-Ausstellungen und Social Media-Präsentationen gewinnen zunehmend an Bedeutung

Online-Ausstellungen und Social Media-Präsentationen gewinnen zunehmend an Bedeutung, weiß Jette Funke. Im Kleinen praktiziere sie dies auch schon, für die Kunstpromenaden und den Anhaltischen Kunstverein zum Beispiel. Doch, um es größer aufzuziehen, damit sie auch Geld damit verdienen kann, bräuchte sie ein Team - und Geld.

„Beides habe ich nicht und so etwas aufzubauen, ist in diesen Zeiten nahezu unmöglich.“ Es bräuchte den persönlichen Kontakt und Austausch. „Also habe ich zwar viele Ideen, werde aber in der Umsetzung gestoppt.“

Den Kopf in den Sand zu stecken, ist indes Henriette Funkes Sache nicht. „Ich sehe tatsächlich in dieser Coronakrise auch ein kleines bisschen die Chance, Neues zu entwickeln.“ Dabei spielt für sie und auch für Astrid Salewski das Netzwerk der Dessauer Künstler eine große Rolle. „Das sollten wir unbedingt stärken und dafür die Coronazeit nutzen“, sind sich beide einig.

„Kunst will gesehen werden und braucht Feedback“

Astrid Salewski ist erst seit Juni 2019 als Künstlerin selbstständig und arbeitet auf dem Gebiet der Malerei und Illustration. In der Elballee 130 richtete sie eine kleine Galerie ein, die sie Anfang 2020 eröffnete. „Ich hatte einen Monat geöffnet, dann kam der erste Lockdown“, erzählt sie. Im Sommer sei es dann langsam wieder angelaufen, sogar an zwei Kunstmessen habe sie teilnehmen können. „Das Jahr lief nicht ganz schlecht“, sagt sie. Aber es lief eben auch nicht so, dass sie ein Einkommen hätte.

„Kunst will gesehen werden und braucht Feedback“, sagt Astrid Salewski. Und genau das sei nicht gegeben. Dieses „einsame Agieren“ empfindet die junge Frau als das Schwierigste in diesen Zeiten, neben dem spärlichen Einkommen. „Auch der Austausch der Künstler untereinander fehlt“, hat sie festgestellt.

Die Künstlerin Anja Wolf betrachtet die aktuelle Situation der Kunst- und Kulturszene gesamtgesellschaftlich. „Die Szene steuert seit mehreren Jahren auf einen Zusammenbruch zu, die Pandemie ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, meint sie.

Freischaffendes Künstlerdasein sei auch ohne Corona stets verbunden mit Existenzängsten

Denn das freischaffende Künstlerdasein sei auch ohne Corona stets verbunden mit Existenzängsten und einem Gefühl des „Den-Vermarktungsstrategien-Ausgeliefert-Seins“. Die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft müsse wieder bewusst werden, derzeit fehlt die Wertschätzung, stimmt Henriette Funke ihrer Kollegin zu.

Beide hoffen auf ein Umdenken in der Gesellschaft, was den tatsächlichen sozialen und emotionalen Wert von Kultur betrifft. „Ich hoffe sehr, dass sich im Fazit der Coronakrise eine breite öffentliche Diskussion entwickelt, die etwas bewirkt“, so Wolf. Bei den Kunstschaffenden selbst habe sie bereits ein Umdenken beobachtet, sagt sie.

„Wir haben verstanden, dass wir nur überleben, wenn wir Hand in Hand arbeiten, uns gegenseitig unterstützen, ohne den anderen unsere Vorstellungen als allgemeingültige Lösung überhelfen zu wollen.“

Begeistert sind Henriette Funke und Astrid Salewski von der Idee in der Kulturentwicklungsplanung

Begeistert sind Henriette Funke und Astrid Salewski von der Idee in der Kulturentwicklungsplanung, das Gebäude des jetzigen Naturkundemuseums langfristig zum Standort für die Dessauer Künstler zu entwickeln. Mit einer Galerie, einem Shop, Ateliers.

„Damit würden die Künstler unserer Stadt mehr in die Öffentlichkeit rücken und sozusagen mitten in der City präsent sein. Das wäre auch eine tolle Art der Unterstützung für uns“, schwärmt Henriette Funke - und hat sofort viele Ideen, wie dieses „Künstlerhaus“ mit Leben erfüllt werden könnte. (mz)