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Wahl in Dessau-Roßlau Wahl in Dessau-Roßlau: Tritt Raschpichler an?

Von Steffen Brachert 23.04.2014, 18:57
Der kritisierte Händedruck: Ein Fehlgriff?
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Dessau-Rosslau/MZ - Gelassenheit oder Wahlpoker? Ralf Schüler, Pressesprecher der Stadt, ließ das offen. „Ich kommentiere das nicht. Ich nenne nur Namen.“ Fünf Tage vor Ablauf der Bewerbungsfrist waren das gerade einmal vier.

Am 28. April, 18 Uhr, müssen Dessau-Roßlaus Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl ihre Unterlagen bei Stadtwahlleiter Michael Conrad eingereicht haben. Acht Bewerber haben bislang ihre Kandidatur angekündigt, doch nur vier diese schon schriftlich bestätigt: Andreas Mrosek (Alternative für Deutschland), Peter Kuras, Ben Naumann und Jakob Uwe Weber.

Überraschung möglich

Schlüsse lassen sich daraus nicht ziehen. Noch ist genug Zeit, alles abzugeben. Noch ist aber auch genug Zeit für weitere Überraschungen. Eine hat sich gestern angedeutet: Gerd Raschpichler, Sozialdezernent der Stadt, sammelt Unterstützerunterschriften, um sich am 25. Mai zur Wahl als Oberbürgermeister zu stellen.

„Ich schließe eine offizielle Bewerbung nicht aus“, bestätigte Raschpichler auf MZ-Anfrage. Der Sozialdemokrat wurde im April 2008 im Stadtrat für sieben Jahre als Sozialdezernent gewählt. Das Verhältnis zu Oberbürgermeister Klemens Koschig gilt seit Jahren als gestört. Beide sind schon mit Anzeigen und Disziplinarverfahren gegeneinander vorgegangen. Koschig hatte Raschpichler einst die Zuständigkeiten für das Klinikum und den Kulturbereich entzogen. 2010 scheiterte der Stadtrat mit einem Abwahlverfahren gegen Raschpichler. Das war von der SPD vorangetrieben worden, die ihn einst auf den Thron gesetzt hatte. Es kamen aber nicht genügend Stimmen zusammen.

„Ich stehe für eine andere Herangehensweise, für einen anderen Politikstil“, sagte Raschpichler, der vor seiner Zeit in Dessau-Roßlau Vize-Landrat im Landkreis Anhalt-Bitterfeld war, bei einer Kandidatur aber nicht auf parteipolitische Unterstützung zählen kann. „Ich habe für eine Kandidatur viel Zuspruch außerhalb des politischen Establishments erhalten, es gibt aber auch Distanz und Ablehnung.“ Bis zum Wochenende will sich Raschpichler entscheiden. „Wir werden am Montag sehen, was das Ergebnis ist.“

Welche Auswirkungen Raschpichlers kurzfristige Kandidatur auf den Wahlkampf hat, ist offen. Der Wahlkampf selbst kommt eh nur schwer in Gang.

Der parteilose Kandidat Jakob Uwe Weber hatte Sachsen-Anhalts Landesregierung gestern eine Verletzung der Neutralitätspflicht und eines selbst auferlegten Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgeworfen. Grund war ein Themenabend „Wirtschaft“, zu dem die CDU gestern in das Dessauer NH-Hotel eingeladen hatte. CDU-OB-Kandidat Stefan Exner konnte dort Sachsen-Anhalts CDU-Wirtschaftsminister Hartmut Möllring begrüßen.

Als im Frühjahr der Kahlschlag am Anhaltischen Theater drohte, hatte sich Weber als Vertreter der Initiative „Land braucht Stadt“ um einen „Bürgerdialog“ mit Vertretern der Landesregierung bemüht - und eine Absage erhalten. „Da Sie für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren, gebieten es die Neutralitätspflicht und der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine Veranstaltung mit Ihnen als Teilnehmer oder Organisator vor den Kommunalwahlen nicht durchführbar ist. Dies würde unter Umständen eine Bevorzugung ihrer Person und eine Benachteiligung anderer Kandidaten nach sich ziehen“, hatte Regierungssprecher Matthias Schuppe Ende Februar mitgeteilt.

In der CDU-Veranstaltung sieht Weber nun einen Widerspruch. „Die CDU-Regierungspartei im Land muss sich schon sehr um das Wahlergebnis ihres Kandidaten zur OB-Wahl Sorgen machen, wenn jetzt diese Prinzipien für ihn nicht mehr gelten.“ Die Magdeburger Staatskanzlei selbst gab sich zurückhaltend: „Die Ressorts gestalten ihre Termine in eigener Verantwortung. Wir bitten deshalb, den Anlass und den Inhalt der angeführten Veranstaltung über die zuständige Pressestelle zu erfragen.“ Möllrings Sprecher verwies auf eine Einladung vom CDU-Landtagsabgeordneten und CDU-Kreisvorsitzenden Jens Kolze zu einem Diskussionsabend nach Dessau-Roßlau. „Dieser Einladung folgt der Wirtschaftsminister.“ Dass auf dem Veranstaltungsplakat Stefan Exner als Bürgeranwalt für sich wirbt, ist dann wohl Zufall.

Basteln eines Kosmonautenhelms

Andere Kandidaten haben andere Probleme. Karsten R. Lückemeyer bastelt derzeit ein Kosmonautenhelm für eine Buchlesung von „Benni, das Knuddelmonster? Mit Apollo 22 zum Mars“ am Sonntag in Magdeburg und zeigt die Fortschritte auf Facebook - als Selfie, jenen Selbstporträts, die seit der Oscar-Nacht so berühmt sind. „Wenn kein Wahlkampf wäre, würde ich das glatt als Profilbild nehmen“, schreibt Lückemeyer zu seinem Foto mit Helm. Zum Glück ist Wahlkampf. Oder doch nicht?

Ben Naumann, Chef eines Handy-Shops in der Zerbster Straße und ebenfalls Bewerber für das erste Amt im Rathaus, beschäftigt ein Symbolbild, das er auf seine Facebook-Seite gestellt hat. Links die Stadtverwaltung. Rechts der Stadtrat. Dazwischen gibt es ein Händeschütteln, das an das einstige SED-Parteilogo erinnert und für die Zwangsvereinigung von SPD und KPD steht. Ein Fehlgriff? „Es ging rein um die Symbolik einer Zusammenarbeit. Wer Negatives sucht, wird immer Negatives finden“, weist Neumann das - natürlich auf Facebook - zurück und kritisiert die Kritiker. „Das ist typisch für Personen, die sich an solchen Dingen aufziehen. Genau aus diesen ewigen Nörgeleien kapitulieren engagierte Bürger in Dessau - und es kommt kaum etwas zustande.“