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Kunsthalle Dessau Stadt der Brüche: Martin Oswald zeigt Dessauer Entdeckungen in der Ausstellung „Gezeichnetes Land“

Martin Oswald, ein Kunstprofessor aus Oberschwaben, hat sich intensiv mit Dessau und seiner Umgebung auseinander gesetzt. Die Ergebnisse sind in neuen Ausstellung „Gezeichnetes Land“ in der Kunsthalle Dessau zu sehen. Was Oswalds Anliegen ist.

Von Danny Gitter 07.10.2024, 13:21
Zeichner, Kurator, Autor und Kunstprofessor Martin Oswald eröffnete am Donnerstag seine Ausstellung „Gezeichnetes Land“ in der Kunsthalle.
Zeichner, Kurator, Autor und Kunstprofessor Martin Oswald eröffnete am Donnerstag seine Ausstellung „Gezeichnetes Land“ in der Kunsthalle. Foto: Ruttke

Dessau/MZ. - Da steht er nun, der Franke, der seit 20 Jahren im oberschwäbischen Weingarten, an der dortigen Pädagogischen Hochschule zukünftige Kunstpädagogen ausbildet, am Tag der deutschen Einheit in der Dessauer Kunsthalle, um seine Ausstellung „Gezeichnetes Land“ zu eröffnen. Eine Begegnung zwischen Ost und West, ist im 34. Jahr der Wiedervereinigung, gerade auch am Nationalfeiertag, nichts Besonderes mehr.

Doch dieser Künstler ist nicht aus dem tiefsten Süden der Republik mehrere hundert Kilometer weit in den Osten Deutschlands aufgebrochen, um einen weiteren Ausstellungsort in seiner Biographie abhaken zu können. Er war schon vor diesem 3. Oktober in der Stadt und ihrer Umgebung, um sie intensiv zu studieren, zu rezipieren und sie in Landschaftsbildnisse zu überführen. Dafür machte Martin Oswald nicht nur lange Spaziergänge in und um Dessau, sondern ging auch in Archive und wälzte Publikationen, um sich ein Gesamtbild zu erschließen.

„Dessau ist vielleicht die deutsche Stadt, die die gewaltigsten Transformationen in der jüngeren Geschichte erlebte“, stellt er fest. Vom Residenzstädtchen wandelte es sich zur Industriestadt mit enormem Bevölkerungszuwachs und mit großflächigen Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs. „Diese Stadt erlebte auch gleich zwei Mal eine Stunde Null 1945 und 1990“, so der Kunstprofessor.

Zwei der gezeigten Zeichnungen.
Zwei der gezeigten Zeichnungen.
Foto: Thomas Ruttke

Dem Wiederaufbau zum Industriezentrum und zur Wohnstadt nach sozialistischem Vorbild folgte nach 1990 ein beispielloser Niedergang der Industrie mit Abwanderungen in Größenordnungen und daraus resultierendem Leerstand, vor allem in Plattenbauten. Industriebrachen und Brachen einst florierender Wohngebiete sind die bis heute spürbaren Resultate der Stunde Null vor 34 Jahren.

Oswald bewegt sich in diesen Räumen und hält sie in Collagen aus Fotografien sowie Kreide- und Bleistiftzeichnungen fest. Er spürt nach, wie sich Landschaften veränderten und verändern könnten. Er bietet den Betrachtern mit seinen Werken Möglichkeiten, sich gedanklich Räume in ihren Veränderungen sowohl zum Positiven als auch Negativen vorzustellen.

Über ein Dutzend seiner über 30 ausgestellten Werke in der Kunsthalle beschäftigen sich mit Dessauer Stadtlandschaften und umgebenen Naturlandschaften an Elbe und Mulde aus Gegenwart und Vergangenheit. Das kriegszerstörte Dessau thematisiert Oswald ebenso wie den Zusammenfluss von Mulde und Elbe, der scheinbar unbeeindruckt von der Zeit seiner Dinge harrt.

Die neue Ausstellung in der Kunsthalle Dessau.
Die neue Ausstellung in der Kunsthalle Dessau.
Foto: Thomas Ruttke

Anders als manche alte Meister der Vergangenheit, die Landschaften romantisierten oder wie die zahlreichen Influencer der Gegenwart, die dank moderner digitaler Fotografie im Prinzip nichts anderes tun, will Oswald mit seinen Werken ganz bewusst einen Kontrapunkt setzen. Deshalb ist die Ausstellung „Gezeichnetes Land“ auch im doppelten Sinne zu verstehen. Einerseits als Ausdruck der künstlerischen Tätigkeit des Zeichnens, andererseits als gezeichnet, im Sinne von sichtbaren Zeichen meist negativ konnotierter Ereignisse und Erlebnisse, die sich optisch manifestieren.

So wie mancher Mensch vom Leben gezeichnet sein kann, können es auch Landschaften sein. Von Erdbeben oder Vulkanen abgesehen, ist es der Mensch, der Landschaften seinen Stempel aufdrückt. „Fast alles, was wir heute als Landschaft bezeichnen und begreifen ist durch uns beeinflusst und geformt“, konstatiert Oswald. „Wir können durch Aufforstung und Renaturierung von Flüssen den Landschaften vermeintlich Gutes tun. Sie durch intensive Landwirtschaft, selbst verursachte Waldbrände und Kriege aber unserem ästhetischen Empfinden nach auch negativ beeinflussen. Oswald wandelt in seiner Ausstellung zwischen diesen Extremen und dem Dazwischen, in seinen vielen Schattierungen und bietet so den Betrachtern die Chance, Landschaften aus einer ganz besonderen Perspektive zu begreifen.“

Die Ausstellung „Gezeichnetes Land“ von Martin Oswald ist noch bis zum 9. November 2024 in der Kunsthalle Dessau, Ratsgasse, Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Eintritt drei Euro/ermäßigt zwei Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.