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Spitzname "Schweineoper" Spitzname "Schweineoper": Aus DDR-Kühlhaus in Dessau wurde Gebäude mit Lagerboxen für jedermann

Von Annette Gens 16.02.2019, 13:00
Lars Jansen vor dem Kühlhaus, das heute ein Lagerhaus ist.
Lars Jansen vor dem Kühlhaus, das heute ein Lagerhaus ist. Thomas Ruttke

Dessau-Roßlau - Die Oma muss plötzlich ins Pflegeheim, weil sie Hilfe benötigt und nicht mehr selbstständig leben kann. Ihre Wohnung wird aufgelöst, da die Mietkosten ins Geld gehen. Doch richtig trennen kann sich niemand von Omas Möbeln und persönlichen Dingen. In solchen Fällen ist normalerweise guter Rat teuer. In Dessau allerdings nicht. „Wir haben eine Lösung “, sagt Lars Jansen.

Der gebürtige Dessauer und der Leipziger Marco Bluhme sind Eigentümer des „Lagerpark Dessau“, der sich in der Dessauer Lessingstraße befindet. Eingerichtet hat er ihn vor rund vier Jahren in Dessaus größtem Lagerhaus, in dem vor der politischen Wende Lebensmittel, vor allem Fleisch und leicht verderbliche Waren gelagert wurden.

Vom Kühlhaus im Dessauer Norden ist überliefert, dass dort nicht nur die Lebensmittelreserven für Dessau und Umgebung gelagert wurden. Auch die Staatsreserve der DDR fand dort Platz in Form von Schweine- und Rinderhälften, was dem Gebäude früher den Spitznamen „Schweineoper“ eingebracht haben soll.

2014 aus der Insolvenzmasse der Baustoffservice GmbH gekauft

Jansen hatte das ehemalige in den 1950er Jahren errichtete Kühlhaus 2014 aus der Insolvenzmasse der Baustoffservice GmbH gekauft, die in den Fördermittelskandal um Weiterbildungen im IHK-Bildungszentrum verwickelt war. Inzwischen sind viele der insgesamt sechs Etagen Lagerfläche wieder einer Nutzung zugeführt.

„Eigentlich hatten wir an große Lager für die Wirtschaft gedacht“, sagt Jansen. Große Lagerflächen waren auch von der Wirtschaft gefragt. Möglichst mit Rampe zum Anliefern. Weshalb das Erdgeschoss zwar wirtschaftlich florierte. Aber wie sollte der Großteil der 11.000 Quadratmeter über sechs Etagen des Kühlhauses genutzt werden?

Die Idee, so schildert Eigentümer Jansen, entstand nach und nach. „Wir wollten ausprobieren, ob kleine Lager gefragt sind.“ Inzwischen sind rund 150 Boxen vermietet. Die Erfolgsgeschichte soll fortgesetzt werden. Geplant ist der Bau von weiteren 160 Boxen.

Alarmanlage, Brandmeldeanlage, Zugangssicherung und Transporthilfen

Die Vorzüge des Lagerhauses Dessau liegen für die Eigentümer auf der Hand. Angeboten wird Lagerfläche zwischen zehn bis 750 Quadratmeter. Im Lagerpark kann man jederzeit - auch kurzfristig - ein Lager mieten und dieses an sieben Tagen in der Woche und an 24 Stunden am Tag betreten. Für die Sicherheit der Anlage ist mehrfach gesorgt. Sämtliche Eingangsbereiche sind videoüberwacht. Die Räume sind ungezieferfrei.

Der Park verfügt über Alarmanlage, Brandmeldeanlage, Zugangssicherung, Schwerlastaufzüge, Lastenlifte und Transporthilfen. Im Kühlhaus herrscht ein gutes Lagerklima zwischen 8 und 18 Grad Celsius. Begründet liegt das in dicken Mauern und Dämmung. Es wurde schließlich als Kühlhaus gebaut. Für die Betreiber sind das gute Voraussetzungen zum Lagern von Gegenständen unterschiedlichster Art.

Wer aber mietet alles Lagerfläche? Manche wissen im Winter nicht wohin mit ihrem Surfbrett oder im Sommer mit der Wintersportausrüstung. Manche haben keine geeigneten Keller, um persönliche Sachen aufzubewahren. Unter den Kunden sind auch Rechtsanwälte und andere Selbstständige, die ihre Dokumente wegen der Steuer einige Jahre nicht schreddern dürfen. „Viel öfter als man denkt, sind auch Privatleute auf der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz“, weiß Jansen inzwischen.

Im einstigen Kühlhaus gibt es inzwischen rund 180 Mieter

Manche lagern ihre Möbel, weil sie einige Zeit im Ausland arbeiten. Manche kommen, weil sie mit dem neuen Partner eine gemeinsame Wohnung beziehen, sicherheitshalber aber die Möbel vorerst zwischenlagern. Manche renovieren ihre Wohnung oder Haus und benötigen ein Zwischenlager. Gründe, weiß Jansen, gibt es sehr viele. Das Lagerhaus Dessau habe dennoch ein Alleinstellungsmerkmal. Es sei das einzige weit und breit mit sehr guter bauphysikalischer Voraussetzung. In Berlin und Leipzig gibt es ähnliche Geschäftsmodelle.

Im einstigen Kühlhaus gibt es inzwischen rund 180 Mieter. Die Zeichen im Lagerhaus stehen auf Wachstum. Der Weg dahin war nicht immer einfach, weiß Lars Jansen. Die vorherigen Eigentümer wollten das Kühlhaus zum multifunktionalen Komplex ausbauen - mit Büros, einer Diskothek und einer Bowlingbahn. Es gab im Obergeschoss bereits eine Kartbahn.

Nach dem Eigentümerwechsel vor vier Jahren war der multifunktionale Komplex noch nicht zu erkennen. Stattdessen sahen sich die neuen Eigentümer mit sehr hohen Energiekosten konfrontiert - was als erstes geändert wurde. Die zweite Aufgabe wartete dann bereits und sie hatte es in sich: „Wir haben unendlich viel Müll entsorgen müssen, um die 50 Lkw-Ladungen kommen zusammen“, erinnert sich Jansen an die viele Arbeit, die investiert werden musste. (mz)

Blick in das Lager mit Mietboxen.
Blick in das Lager mit Mietboxen.
Thomas Ruttke
So sieht das Innenleben einer Mietbox aus.
So sieht das Innenleben einer Mietbox aus.
Thomas Ruttke