Sonderpostfiliale in Dessau Sonderpostfiliale in Dessau: Seit Donnerstag eine Briefmarke auf zwei Kontinenten

Dessau-Roßlau - Taucht irgendwo zwischen Altmark und Zeitz, Brocken und Dübener Heide ein besonderes zackiges Exemplar auf, dann ist er da: Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident a.D. und seit 2011 im Ruhestand, gehört zu den bekanntesten Briefmarkenfreunden in Sachsen-Anhalt. Und so folgte der Mann aus Wittenberg am Donnerstag gern der Einladung gleich passionierter Sammler aus Dessau-Roßlau.
Neben der Sonderbriefmarke gibt es im Rathauscenter eine Ausstellung des Briefmarkenvereins Dessau-Roßlau. Zu sehen sind eine Briefmarkenwerbeschau sowie eine Fotoausstellung mit aktuellen Aufnahmen aus der Weißen Stadt. Zur Markenausgabe ist im Rathauscenter bis zum Sonnabend, 9. Mai, eine Sonderpostfiliale eingerichtet. Zur Erstausgabe vor Ort ist das Team „Erlebnis: Briefmarken“ der Post innerhalb der „Bauhaustage“ am Freitag von 9.30 bis 20 Uhr und am Sonnabend von 9.30 bis 18 Uhr im Center. Dort sind unter anderem das Sonderpostwertzeichen, ein Sonderstempel sowie Sonderumschläge erhältlich.
Im Rathauscenter hat gestern eine Sonderpostfiliale ihre Schalter geöffnet. Anlässlich des 50. Jahrestags der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel (1965 bis 2015) erschien am 7. Mai in beiden Ländern ein motivgleiches Sonderpostwertzeichen unter dem Titel „Weiße Stadt Tel Aviv“.
In diesem Stadtviertel sind etwa 4000 Gebäude ein besonderer Blickfang. Im Bauhausstil errichtet von Architekten, die nach Schließung ihrer Schule in Dessau nach 1933 vor den Nazis flohen und sich in dem unter britischen Mandat stehenden Palästina eine neue Heimat suchten. Und in der jungen Stadt Tel Aviv ihre Idee vom modernen Bauen in Stein setzten. Die „Weiße Stadt Tel Aviv“ wurde 2003 in die Welterbe-Liste der Unesco aufgenommen. Die Jahrzehnte unter sengender Sonne am Mittelmeer haben den Häusern zugesetzt. 2009 hat der Staat Israel die Bauten dann unter Denkmalschutz gestellt.
Die 50-jährigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel waren nicht immer einfach, erinnerte Böhmer in seinen Grußworten zur Eröffnung von Sonderpostfiliale und der Ausstellung an einen einzigartigen Neuanfang im Verhältnis beider durch Krieg und Holocaust zerrütteten Völker. Für beide Seiten kein leichter Schritt.
Da hatte im Mai 1948 David Ben Gurion in Tel Aviv den neuen Staat Israel proklamiert, ein gutes Jahr später in Bonn Konrad Adenauer das provisorische Grundgesetz unterzeichnet und die Bundesrepublik Deutschland verkündet. Bis sich die ersten Männer beider Länder erstmals begegneten, vergingen noch zwölf Jahre. 1960 trafen sich die beiden „Alten“ (Ben-Gurion vom Jahrgang 1886, Adenauer von 1876) offiziell auf neutralem Gebiet, im Hotel Waldorf Astoria in New York. Die Atmosphäre zwischen erstem Ministerpräsidenten und erstem Bundeskanzler muss „gestimmt“ haben, eine Verständigung zwischen Deutschland und Israel erschien erstmals wieder möglich.
Wiederum fünf Jahre später, am 12. Mai 1965 nehmen der Staat Israel und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen auf, eröffnen Botschaften in Tel Aviv und Bonn. Nochmals 20 Jahre ließ der erste Staatsbesuch auf sich warten: Im Oktober 1985 erst reiste Bundespräsident Richard von Weizsäcker nach Israel ein. 1987 erfolgte der Gegenbesuch durch Präsident Chaim Herzog.
Mit Hinweis auf die konfliktbeladene Situation in Nahost und die hauchdünne Mehrheit der neuen Regierungskoalition in Tel Aviv betonte Böhmer, dass die Bewertung israelischer Politik viel Fingerspitzengefühl erfordere. „Man muss die Regierungspolitik Israels nicht zwangsläufig gutheißen oder gar mögen. Die heute erschienene gemeinsame Briefmarke aber ist deutliches und wichtiges Symbol der Versöhnung unserer beiden Länder und Ausdruck verantwortungsbewusster Zusammenarbeit.“
Die Symbole gehen nach den Reden an den Tresen der Sonderpostfiliale und der Ausstellungsstände des Dessau-Roßlauer Briefmarkenvereins von Hand zu Hand und weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Einen Ersttagsbrief als Ganzsache mit eingeprägtem Postwertzeichen hat Horst Mitlehmer schon geschrieben. „An mich selbst“, lacht der Briefmarkenfreund aus Bitterfeld. „1000 Stück aktueller philatelistischer Angebote mit Sonderstempel und Schmuckumschlag halten wir für das Rathauscenter bereit“, sagt Briefmarkenfreund Jürgen Ehrlich, als er nach dem Ansturm der ersten Stunde wieder zu Atem kommt.
Attraktive Angebote an Postkarten und Umschlägen hält auch die Anhalt-Galerie von Regina Erfurth bereit. Eine Karte vereint die Bauten der Moderne des 20. Jahrhunderts mit dem Bauhaus in Dessau, dem Bauhausarchiv in Berlin und dem Bauhausmuseum in Tel Aviv. Kein Zweifel, welche Briefmarke die besonders schmücken würde...(mz)
