1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Scheu vor Amt?: Scheu vor Amt?: Trotz Corona-Krise - Nur wenige Selbstständige beantragen in Dessau-Roßlau im Jobcenter Grundsicherung

Scheu vor Amt? Scheu vor Amt?: Trotz Corona-Krise - Nur wenige Selbstständige beantragen in Dessau-Roßlau im Jobcenter Grundsicherung

Von Sylke Kaufhold 20.02.2021, 11:15
Der Gang zum Arbeitsamt ist für die meisten Selbständigen nur die allerletzte Option.
Der Gang zum Arbeitsamt ist für die meisten Selbständigen nur die allerletzte Option. Imago

Dessau - Den Weg zum Amt scheut Ilka Meißner noch. Mehr als drei Monate kann die selbstständige Kosmetikerin nicht arbeiten, hat keinerlei Einkünfte. Ihre Kosten aber laufen weiter. „Ich bin seit 21 Jahren selbstständig, da hat man im Blut, dass man sich durchkämpfen muss“, sagt sie.

Dass sie Grundsicherung beim Jobcenter beantragen könnte, weiß Ilka Meißner. „Aber es ist trotz der Vereinfachung nicht ganz unkompliziert, den Antrag auszufüllen“, meint sie. Ilka Meißner weiß von Kolleginnen, dass auch diese die Grundsicherung trotz wachsender Not nicht beantragt haben. Auch aus Angst, abgewiesen zu werden oder das Geld zurückzahlen zu müssen.

Nur 30 Selbstständige haben seit November 2020 im Dessauer Jobcenter die Grundsicherung beantragt

„Das erklärt die geringen Zahlen bei uns“, sagt Jana Ettlich, stellvertretende Geschäftsführerin im Jobcenter Dessau-Roßlau-Wittenberg dazu. Denn laut Statistik haben im Jobcenter seit November vorigen Jahres, also dem Beginn des zweiten Lockdowns, nur 30 selbstständig erwerbstätige Personen Alg II beantragt. Seit April 2020 waren es 193.

„Auch wir hatten mit höheren Zahlen gerechnet“, sagt Jana Ettlich. Sie räumt allerdings ein, dass die Zahlen wohl anders aussehen werden, wenn der Lockdown noch länger andauert. „Dann wird die Zahl derer steigen, die ihre Selbstständigkeit nicht mehr aufrechterhalten können“, denkt sie.

Bisher kämpften die Betroffenen mit aller Macht um den Erhalt ihrer Unternehmen. Was sie daran sehen, dass auch die Arbeitslosenzahlen nur minimal anstiegen, erklärt Ettlich. Denn in der Statistik der Arbeitsagentur tauchten die Selbstständigen erst auf, wenn sie ihr Unternehmen aufgegeben und sich arbeitslos gemeldet haben.

Noch versuchen also fast alle, ganz ohne Leistung oder maximal mit Grundsicherung über die Runden zu kommen. Vergleicht man diese Zahl allerdings mit der des Vorjahreszeitraumes April 2019 bis Januar 2020 wird ein deutlicher Anstieg von Meldungen erkennbar. Von 28 auf 193 stieg die Zahl, ein Plus von 589 Prozent. Jana Ettlich ordnet auch diesen Zuwachs als „noch nicht erschreckend“ ein.

Verändert haben sich die Branchen der Antragsteller

Verändert haben sich die Branchen der Antragsteller. Waren es im April 2020 vor allem fertigungstechnische Berufe, Bau- und Ausbaugewerke, Handel, unternehmensbezogene Dienstleister wie Werbung oder Berufe der Unternehmensführung und Organisation so kommen im zweiten Lockdown die Selbstständigen vorrangig aus dem Gastgewerbe, sozialen und kulturellen Dienstleistungen und den medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen. Über die Sommermonate gab es keine Zugänge.

Jobcenter ermuntert Selbstständige in Notlage sich über Grundsicherung zu informieren

Jana Ettlich ermuntert ausdrücklich Selbstständige, die sich in einer Notlage befinden, die Grundsicherung zu beantragen: „Das Sozialschutzpaket erleichtert den Zugang.“ So falle die Vermögensprüfung weg und auch die über die Angemessenheit des Wohnraums. Das vereinfachte Antragsverfahren gilt vorerst bis zum 31. März.

Um die Beantragung auch unter den Coronabeschränkungen reibungslos und einfach zu ermöglichen, hat das Jobcenter sein Internetangebot ausgebaut. „Es kann alles online gemacht werden“, sagt Jana Ettlich. Zum digitalen Angebot gehört auch ein „Vorausberechnen“ einer möglichen Leistung.

(mz)