Rätselhafte Wanzen-Invasion Rätselhafte Wanzen-Invasion: Insekten vermehren sich bei Dessau-Großkühnau explosionsartig

Großkühnau - Im Moment wechselt die Stimmung zwischen Galgenhumor und Wut. „Man weiß schon gar nicht mehr, ob einen wirklich etwas juckt. Oder ob man sich das nur einbildet“, sagt Lutz Büttner und führt über sein Grundstück in Großkühnau. Seit dieser Woche ist es übersät mit Bodenwanzen.
Auf dem direkt angrenzenden Feld haben sich die Insekten explosionsartig vermehrt und fallen nun in die Grundstücke ein. Vor allem Büttners Areal in der Straße Neuer Acker ist betroffen. Doch die Plage in der kleinen Siedlung ist rätselhaft: Experten kennen weder die genaue Art noch den Grund für die plötzliche Invasion. Und Abhilfe ist bislang nicht in Sicht.
„Wir können keine Fenster mehr öffnen, nicht mehr im Garten liegen“, sagt Büttner. „Die Wanzen sind überall im Haus, im Wohnzimmer, im Badezimmer, sogar im Schlafzimmer.“ Etwa fünf Millimeter groß sind sie, dunkelgrau bis schwarz gefärbt.
Anwohner empfinden die außergewöhnliche Anzahl von Insekten als unangenehm
„Es ist widerlich und ekelhaft. Man hat ständig das Gefühl, dass die Tiere an einem dran sind. Wir wollen unser Zuhause zurück.“ Seit den 90er Jahren wohnt Büttner in Großkühnau, zur Familie gehören zwei Kinder. Etliche Telefonate mit Behörden hat Büttner in den vergangenen Tagen geführt. Gesundheitsamt und das Amt für Umwelt- und Naturschutz forschen seit Mittwoch an einer Artbestimmung - bisher ist nur die Gattung bekannt.
„Da nur wenige Spezialisten diese Insekten sicher bestimmen können, war eine genauere Identifizierung der Art noch nicht möglich“, sagt Stadtsprecherin Cornelia Maciejewski. „Es sind Sachverständige zur genaueren Bestimmung kontaktiert worden.“
Eine gesundheitliche Gefahr wird ausgeschlossen. „Das Auftreten in dieser außergewöhnlichen Anzahl wird von den Anwohnern zwar als unangenehm beschrieben, über Beeinträchtigungen ist aber nichts berichtet worden.“
Keine Fraßschäden an Gartenpflanzen oder Probleme bei Hautkontakten
So habe es keine Fraßschäden an Gartenpflanzen gegeben oder Probleme bei Hautkontakten. „Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine temporäre Beeinträchtigung handelt. Auch die Bewohner kennen keine vergleichbare Situation in der Vergangenheit.“
Auch im Agrarbetrieb Dessau-Mildensee, der das Feld bewirtschaftet, wird gerätselt. Jan-Peter Maaß, Leiter für den Bereich Feldbau, hat eine solche Plage noch nicht erlebt. „Vermutlich ist die Hitze der Auslöser. Die Eier im Boden brauchen Feuchtigkeit, damit die Wanzen schlüpfen. Regen gab es ewig nicht, zum ersten Mal am Wochenende. Da sind womöglich alle auf einmal geschlüpft.“
Auch wenn bisher nichts über den genauen Lebenszyklus der Insekten bekannt ist, meint Maaß: „Ich glaube nicht, dass es eine lange Lebenszeit gibt. Es kann sein, dass sich der Spuk in ein paar Wochen erledigt.“
„Momentan keine Lösung, außer abwarten“
Maaß selbst hatte in Internetforen versucht, die Art zu bestimmen - fand aber auch keinen Experten, der weiterhelfen konnte. „Wir verstehen, dass das kein schöner Zustand ist. Aber es gibt im Moment keine Lösung, außer abwarten.“
Ein Pestizid sei der falsche Weg und im konkreten Fall auch nicht erlaubt. „Aus rein betrieblicher Sicht ist für uns keine Gefahr im Verzug. Die Tiere verursachen keinen Schaden, auf dem Feld steht keine Kultur.“ Jetzt Chemie zu sprühen, verstoße gegen das Pflanzenschutzgesetz, das Betriebe dazu anhalte, nur das Nötigste einzusetzen.
Doch für Lutz Büttner ist der Zustand unerträglich. „Wir versuchen schon, Tiere im Haus zu töten. Aber es kommen durch die Ritzen immer welche nach. Und auf dem Feld sind noch Millionen Wanzen. Man muss sich nur den Acker ansehen: Der lebt.“
Wenn die Art bekannt sei, würden das weitere Vorgehen mit den Anwohnern abgestimmt
Auf dem Grundstück selbst seien die Wege „oft schwarz vor Insekten.“ Büttner sorgt sich auch um langfristige Folgen. „Nisten die sich jetzt irgendwo dauerhaft im Haus ein? Und wenn die Klimaerwärmung weiter geht: Haben wir das dann jedes Jahr?“
Er erwarte, dass „die Stadt und auch der Agrarbetrieb etwas unternehmen. Das ist ein Notfall.“ Die Stadt will die Lage überwachen. Wenn die Art bekannt sei, würden das weitere Vorgehen abgestimmt und Anwohner informiert, so Sprecherin Maciejewski. (mz)
