Barrierefreiheit Ohne Rampe und Fahrstuhl - Treppe sorgt für Frust am neuen Bahn-Haltepunkt in Meinsdorf
80 Wochen lang hat die Deutsche Bahn an der Eisenbahnüberführung und dem neuen Haltepunkt in Meinsdorf bei Dessau-Roßlau gebaut. Seit Montag können Fahrgäste nun hier wieder in den Zug einsteigen. Doch für viele ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Wer ist verantwortlich?

Meinsdorf/MZ - Seit Montag heißt es nach 80 Wochen baubedingter Unterbrechung am Haltepunkt Meinsdorf wieder: „Türen schließen! Vorsicht bei der Abfahrt“. 39 Mal am Tag hält ein Zug, geht es in Richtung der Lutherstadt Wittenberg oder Roßlau. Doch richtig Freude will nicht aufkommen. Wer mitfahren will, braucht gesunde Beine, darf keinen schweren Koffer, keinen Kinderwagen, keinen Rollator oder Rollstuhl dabei haben. Selbst mit Fahrrad wird die Mitfahrt schwierig - angesichts von 42 Treppenstufen, die auf den Bahnsteig führen. Wer Seitengepäckträger hat, kommt kaum hoch oder runter.
Eine Rampe gibt es nicht. Einen Fahrstuhl auch nicht. Den leeren Schacht hatten Besucher des „Tages der offenen Baustelle“ gut zehn Tage zuvor gesehen und waren froher Hoffnung, dass ein Aufzug noch installiert wird. Vielleicht, mutmaßte mancher Besucher, gibt es ja Lieferschwierigkeiten. Selbst wenn es die gäbe, der Grund ist ein anderer: 1.000 Fahrgäste am Tag müssten laut Regelwerk der Bahn den Haltepunkt nutzen.
Haltepunkt Meinsdorf von Bahn modernisiert - aber nicht barrierefrei
„Ein Unding“, sagt Ortsbürgermeister Hans-Peter Dreibrodt. Man könne Barrierefreiheit nicht an Fahrgastzahlen koppeln. Er selber hat versucht, mit dem Rad die 42 Stufen zu erklimmen und spricht von „Himmelfahrtskommando“. Besonders runterwärts ist es gefährlich. Nicht auszudenken, wenn jemand stolpert. „Wenn man 450 Millionen in den Eisenbahnknoten Roßlau/Dessau investiert, dann darf es doch nicht an ein paar Hunderttausend Euro scheitern“, sagt er.
Eigentlich lobt Dreibrodt die Zusammenarbeit mit den Projektverantwortlichen der Bahn. Die hätten immer informiert - vor, während und mit dem Baustellentag fast zum Ende der Baumaßnahme. Nur, aufgefallen, dass es keine Barrierefreiheit gibt, ist erst, als das Projekt beendet war.
Orientierung für blinde und sehbehinderte Menschen mit Leitsystem und akustischem Signal
Ein wenig Barrierefreiheit gibt es immerhin: Für blinde oder sehbehinderte Menschen wurde an ein Leitsystem auf dem Boden gedacht, gibt es Orientierung am Handlauf der Treppe in Blindenschrift. Außerdem hat Meinsdorfs erste und einzige Ampel, die am Überweg zwischen Treppe und Fußweg installiert wurde, ein akustisches Signal.

Auch Parkplätze und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder fehlen in Meinsdorf
Doch nicht nur die steile Treppe ist für Dreibrodt „ein Skandal“, weil viele Fahrgäste ausgeschlossen werden, hier in den Zug zu steigen. „Es gibt auch keinen Parkplatz und keine Fahrradabstellplätze.“ Früher gab es einen wilden Parkplatz, jetzt ist gar nichts da. Vielleicht, so will er erfahren haben, entsteht noch ein kleiner Parkplatz auf der linken Seite aus Richtung Roßlau kommend im kommenden Jahr. Auf der rechten Seite wird zwar momentan ein Parkplatz gebaut, doch der sei nur für die Bahn selbst und für die Stadtwerke, „also nicht öffentlich nutzbar“.

Doch wer ist verantwortlich für das Desaster, wie Dreibrodt es nennt? Laut ihm schiebt es die Deutsche Bahn auf die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt, kurz Nasa. Weil die im Landesauftrag den Schienenpersonennahverkehr plant, bestellt und bezahlt. Sie wirbt ja damit, das sie „besonders den in ihrer Mobilität beeinträchtigten Reisenden den Zugang zur Bahn erleichtert“.
Allerdings weist man bei der Nasa die Verantwortlichkeiten von sich. Nasa-Pressesprecherin Jasmin Dudda sagt, das Bauprojekt „ist ein Bundesprojekt, das aus Bundesmitteln finanziert wird. Demnach gelten in der Planung auch die Richtlinien des Bundes und wir als Landesgesellschaft haben keinen Anteil an und keinen Einfluss auf das Projekt“.
Bahn-Haltepunkt Meinsdorf nicht barrierefrei: Ortschaftsrat will alle Hebel in Bewegung setzen
Was nun? Der Ortschaftsrat Meinsdorf will einen Beschluss fassen und den in den Stadtrat einbringen, sagt Dreibrodt. „Wir wollen die Stadtverwaltung beauftragen, dass sie alle Hebel in Bewegung setzt“, erklärt er. Doch schon zuvor, wenn am 29. August die offizielle Übergabe der neuen Eisenbahnüberführung und des Haltepunktes stattfindet, will er das Problem zur Sprache bringen - bei Lydia Hüskens, Ministerin für Infrastruktur und Digitales, und den Landtagsabgeordneten, die eingeladen sind. „Denn so geht es nicht.“