Betroffene bekommen Halt in schwerer Zeit Neue Gruppe für verwaiste Eltern in Dessau - Wenn das eigene Kind stirbt
Der Verein „Sternenkinder“ erweitert sein Angebot für Eltern, die ihr Kind verloren haben. Betroffene finden Raum für Austausch, Trost und Hoffnung.

Dessau-Roßlau/MZ. - In den Vereinsräumen in der Roßlauer Werftstraße 2 empfangen Tina Henze und Veronika Olejnicki seit Juni 2023 die Gäste ihres Vereins „Sternenkinder“. Freudestrahlend stehen die beiden Leiterinnen in den hellen und gemütlich eingerichteten Räumen. In einem Zimmer ist ein kleiner Stuhlkreis aufgebaut, in einem anderen stehen drei farbige Sessel. „Hier findet zum Beispiel die Akutsprechstunde statt“, erklären Henze und Olejnicki.
Hilfe für Jeden
Der Verein „Sternenkinder“ unterstützt Menschen im Umgang mit ihrem „Sternenkind“. Als Sternenkinder werden Babys bezeichnet, die vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind. Den Betroffenen solle die Möglichkeit gegeben werden, über ihren Verlust zu sprechen und mit anderen Trauernden in Kontakt zu treten, heißt es auf der Vereinswebsite. Der Verein zählt derzeit 28 Mitglieder. Er arbeitet unter anderem mit der Initiative „Lila Wolke“ in Dessau zusammen. Das Einzugsgebiet des Vereins reiche nach Angaben von Henze und Olejnicki bis nach Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld. Neben Akutsprechstunden, einem Kreativkreis, Gesprächs- und Selbsthilfegruppen für Sternenkinder, Folgeschwangerschaften sowie einer Männerrunde gebe es seit Kurzem auch die Gruppe „Verwaiste Eltern“ erzählt Tina Henze.
Diese richte sich an Mütter und Väter, deren Kind verstorben ist. Überschneidungen zwischen der Gruppe „Sternenkinder“ und der Gruppe „Verwaiste Eltern“ seien möglich.
Die Leiterin der neuen Gruppe ist Nadine Bohne, die selbst betroffen ist. Sie hat ihren acht Monate alten Sohn verloren, berichtet sie im Gespräch mit der MZ. „Ich habe nach allen Strohhalmen gegriffen, denn die Situation hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr glücklich werde und nicht aus diesem Gefühl herauskomme“, erzählt Bohne. Schließlich sei sie selbst in die Selbsthilfegruppe „Sternenkinder“ gegangen, um einen besseren Umgang mit ihrer Situation zu finden. „Tina und ich waren immer wieder in Kontakt, und eines Tages fragte sie mich, ob ich nicht eine Gruppe leiten möchte.“ Da es ein solches Angebot bis dahin nicht gegeben habe, sei im Verein entschieden worden, die Gruppe unter Bohnes Führung ins Leben zu rufen.

Es gehe darum, wieder nach vorne blicken zu können, sagt Bohne. „Das konnte ich damals nicht, aber heute wieder – und das möchte ich gerne weitergeben.“ Gleichzeitig habe sie sorgfältig abgewogen, ob sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt und ob sie sich die Leitung der Gruppe zutraue. „Doch ich wollte den Eltern ein Stück Hoffnung zurückgeben“, sagt sie. „Es gibt dem Thema auch etwas Sinnhaftes“, erklärt sie.
Die Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern“ existiert seit Mai dieses Jahres. Bisher hat eine Familie mit zwei Personen teilgenommen. „Ich habe bisher nur zugehört“, berichtet Bohne. Sie wisse aus eigener Erfahrung, wie sich das anfühle. „Manchmal hilft es, einfach erst einmal alles von der Seele zu reden.“ Eine Sitzung dauere meist rund anderthalb Stunden, könne aber bei Bedarf auch länger gehen. Künftig seien auch thematische Sitzungen denkbar, das werde sich aber mit der Weiterentwicklung der Gruppe zeigen.
Kostenlose Angebote
Die Angebote des Vereins sind grundsätzlich kostenlos. Alle Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. Die Hilfen seien bewusst niedrigschwellig gehalten, um allen den Zugang zu ermöglichen, erklärt Tina Henze. Betroffene können sich jederzeit an den Verein wenden. In einem Erstgespräch, das in privatem Rahmen stattfinde, werde gemeinsam überlegt, welche Unterstützung geeignet sei, erzählt sie weiter. Anschließend folgen Akutsprechstunden oder Gruppengespräche.
„Niemand muss dabei etwas sagen, aber mit der Zeit fangen die meisten an zu reden. Manche kommen ein halbes Jahr nicht und dann plötzlich wieder. Manche nur zweimal, andere häufiger. Das kann jeder so für sich entscheiden, wie er es am besten braucht“, erklären Henze und Olejnicki.