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Experimentelles Bauen Jubiläum für Europadorf Meinsdorf: Das Dorf im Dorf wird 30

1994 hat nicht nur die Fachwelt nach Meinsdorf geschaut, als die Landesbauausstellung Sachsen-Anhalt in den damaligen Ortsteil von Roßlau zur Besichtigung der ersten Häuser und Wohnungen eingeladen hatte. Mitten im Ort ist das Europadorf mit rund 230 Häusern entstanden. Wie es sich hier lebt.

Von Heidi Thiemann 28.07.2024, 09:00
Tolles Wohnen, tolle Nachbarn im Europadorf:  Lutz und Elfriede Wiesel mit ihrer Nachbarin  Monika Markquardt, die aus Schleswig-Holstein nach  Meinsdorf gezogen ist.
Tolles Wohnen, tolle Nachbarn im Europadorf: Lutz und Elfriede Wiesel mit ihrer Nachbarin Monika Markquardt, die aus Schleswig-Holstein nach Meinsdorf gezogen ist. Fotos: Thomas Ruttke

Meinsdorf/MZ. - Fast unbemerkt geht in diesem Sommer ein Jubiläum in Meinsdorf über die Bühne. Ohne Feier, ohne öffentliche Aufmerksamkeit, ohne den Besuch eines Ministers. Vor 30 und selbst noch vor zehn Jahren war das ganz anders, als nicht nur Sachsen-Anhalt nach Meinsdorf schaute, das 1994 ein Ortsteil von Roßlau war. Das Europadorf zog die Aufmerksamkeit auf sich.

Architekturbüros aus sieben Ländern haben die Wohnungen und Häuser entworfen

Dem kleinen Ort war etwas Außergewöhnliches gelungen. Auf der Landesbauausstellung im Juni 1994 blickte nicht nur die Fachwelt auf den beschaulichen Ort an der Rossel. In nur 30 Monaten wurde hier eine Siedlung geplant, erschlossen und gebaut. „Kostengünstig bauen und wohnen in Europa“ war das Motto.

Architekturbüros aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Ungarn, Finnland, Belgien und Frankreich entwarfen Häuser und Wohnungen. Die architektonische Vielfalt ist seitdem das prägende Merkmal im Europadorf, das auf einem Gelände mitten im Ort entstand.

Hans-Peter Dreibrodt und Karen Pannier vom Ortschaftsrat an der Tafel, die seit  zehn Jahren einen Überblick über das Europadorf Meinsdorf gibt.
Hans-Peter Dreibrodt und Karen Pannier vom Ortschaftsrat an der Tafel, die seit zehn Jahren einen Überblick über das Europadorf Meinsdorf gibt.
Foto: Thomas Ruttke

„Das Gelände hatte keinen großen landwirtschaftlichen Wert“, blickt Hans-Peter Dreibrodt, Meinsdorfs Ortsbürgermeister, zurück. „Das waren sauere Wiesen.“ Und auf eben jenen Wiesen entstand das „Dorf im Dorf“, wie Elfriede Wiesel sagt. Zwar nicht von Anfang an, aber immerhin schon 24 Jahre wohnt sie jetzt im Europadorf. Hat sich mit ihrem Mann Lutz Wiesel ihre behagliche Wohnung im „Österreich-Viertel“ eingerichtet. „Die großen Durchblicke, die großen Fenster, die Oberlichter, all das ist vom Bauhaus inspiriert“, erzählt sie.

Zahn der Zeit nagt an der Siedlung - Könnte sie zur Bundesgartenschau 2035 einbezogen werden?

Weil die Siedlung in der Rosselniederung liegt, haben die Häuser keine Keller, sondern wurden auf der Bodenplatte errichtet. „Der Grundwasserspiegel wurde damals abgesenkt, um bauen zu können“, sagt sie. Vielleicht mag bei den Bautypen von außen alles einheitlich aussehen, „aber die Wohnungen sind alle unterschiedlich.“

Der Zahn der Zeit nagt mittlerweile an der Siedlung. So sind die Holzfassaden der Österreichhäuser sanierungsbedürftig. Es sollte bei der Stadt hinterfragt werden, ob es Sondermittel für das Europadorf gibt, sagt Lutz Wiesel. Und gut fände das Ehepaar es, wenn in Dessau-Roßlau zur Bundesgartenschau 2035 das Europadorf mit einbezogen wird. Dadurch könnte vielleicht endlich das Ärgernis Europadorfteich angegangen werden. Der verschlammt immer mehr. Schilf hat den Teich eingenommen.

Neben Einzel-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser entstanden auch Wege, Brücken über die Rossel und ihre Zuflüsse.

Nicht nur Einzel-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser sind entstanden im Europadorf, zur Anlage gehören auch Wege, Brücken über die Rossel und ihre Zuflüsse. Der Europadorfteich ist dabei ein wichtiger Teil, sagt Ortsbürgermeister Dreibrodt. „Egal, von wo man kommt, man ist immer schnell im Grünen“, setzt Karen Pannier hinzu, die jüngst in den Ortschaftsrat gewählt wurde.

Die Rosselniederung lädt zum Spazierengehen ein.
Die Rosselniederung lädt zum Spazierengehen ein.
Foto: Thomas Ruttke

Auch sie feiert im Europadorf Jubiläum, wohnt seit nun zehn Jahren mit ihrer Familie hier. Sie will den Spielplatz nicht missen. Für größere Kinder und Jugendliche sollte noch eine Tischtennisplatte her. Das große Klettergerät ist bereits einmal ausgetauscht worden, so Dreibrodt.

Sanierungsbedarf gibt es an vielen Stellen. Andrzej Skrzypiec, der im französischen Abschnitt wohnt, hat gerade den Vorplatz vorm Haus neu gepflastert. Auch die Hauseingangstür ist neu. „Die alte war nicht sicherheitsrelevant“, erzählt er. Aber wie es sich hier im Europadorf wohnt? „Gut“, lacht er. Auch er ist vor 24 Jahren hergezogen, fühlt sich wohl.

Aus Schleswig-Holstein nach Meinsdorf gezogen

Zugezogen aus Schleswig-Holstein ist Monika Marquardt. 13 Jahre ist das nun her. „Meine Tochter hat hierher geheiratet“, verrät die 80-jährige Rendsburgerin. „Mir gefällt es hier sehr gut. Ich habe ganz liebe Nachbarn.“

Werden ein Haus oder eine Wohnung im Europadorf frei, stehen sie nicht lange leer. Von Anfang an war die Wohnlage begehrt, weiß Ortsbürgermeister Dreibrodt. „Nur der Rundling war am Anfang schwer vermittelbar.“ Was unter anderem mit am speziellen Zuschnitt der Wohnungen lag.

Europadorf hatte dem Ort einen enormen Einwohnerzuwachs beschert

Das Europadorf hat Meinsdorf vor 30 Jahren einen enormen Einwohnerzuwachs beschert. Fast jeder zweite Meinsdorfer wohnt heute im „Dorf im Dorf“. Insgesamt gibt es 1.500 Einwohner im Ort. Anfangs, erinnert sich Dreibrodt, war das Verhältnis von Alt- und Neu-Meinsdorfern zaghaft. Das hat sich geändert. Alle kämen gut miteinander aus.