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Geschätzter Rat für alte Stücke

Von Gina Apitz 10.12.2006, 17:16

Dessau/MZ. - So wie Carsten Waldheim erging es am Samstag vielen Besuchern. Anstehzeiten von bis zu einer Stunde mussten in Kauf genommen werden, wollte man wissen, was das Erbstück der Großtante wirklich wert ist. Zum dritten Mal lud die Mitteldeutsche Zeitung gemeinsam mit Kunstexperten an einem Samstag im Advent zur Aktion "Kunst und Krempel" in das Stadtgeschichtsmuseum im Johannbau ein. 240 Dessauer ließen sich diese Chance nicht entgehen und präsentierten den Experten ihre Kunstgegenstände.

Ob die Taschenuhr des Urgroßvaters wirklich gut 100 Jahre alt ist, diese Frage konnten Rüdiger und Michaela Busse mit Sicherheit beantworten. Seit vielen Jahren sammelt das Ehepaar Taschenuhren aller Art. Unter den Habseligkeiten der Besucher im Johannbau entdeckten sie am Sonnabend manches Wertvolle.

Doch nicht immer ging die Hoffnung, dass es sich bei dem Mitbringsel um etwas Kostbares handelt, in Erfüllung. "Viele Leute bringen alte Bücher, wie Bibeln mit, und denken, dass diese sehr wertvoll sind", sagte Hans-Joachim Mellies. "Es ist aber so, dass schon im 18. Jahrhundert geistliche Bücher und Schulbücher in einer relativ hohen Auflage gedruckt wurden und damit ihre Wertigkeit nicht mehr so hoch ist", erklärte der Museumsmitarbeiter. Im Schnitt bezahlen Sammler für solche Art von Büchern heute 80 bis 120 Euro.

Doch auf den Geldwert kam es vielen Besuchern nicht unbedingt an. Fast niemand erwog, die alten Stücke zu verkaufen. "Den Krug soll mein Ururgroßvater 1866 gekauft haben", sagte Jutta Krone. "Ich möchte einfach mal wissen, ob es stimmt, was man mir erzählt hat", erklärte die Dessauerin ihr Kommen. Als versilberter Zinnkrug entpuppte sich ihr Objekt schließlich, und die Experten bestätigen auch das Alter. "Das ist schon was Besonderes", beurteilte Kristina Schlansky von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, denn "der ist noch gut in Schuss". "Die Wertigkeit geht immer nach der Mode", erklärt der Kunsthistoriker Carl Ludwig Fuchs. Den prominenten Gast, der sich auf Schmuck, Silber und Uhren spezialisiert hat, kannte der eine oder andere Besucher schon aus der Fernsehsendung.

Ordentlich gekramt hatten die Dessauer in ihren Wohnzimmern und dabei so einiges an Wertvollem mitgebracht. Da stieß man auf Skulpturen aus der Kaiserzeit, Bücher, die beim Umblättern auseinander zu fallen drohten, und auf Ölgemälde unbekannter Künstler.

So wie die beiden Alpenmotive, die Bernd Schröter den Experten präsentierte. "Ich hab das Bild schon 20 Jahre", sagte der Dessauer. Auch hier ein Familienerbstück. Mit der Lupe entzifferte Kunstexperte Reinhard Melzer den Namen des unbekannten Künstlers und schloss auf das Alter des Gemäldes. "Erste Hälfte des 20 Jahrhunderts, weit vor dem zweitem Weltkrieg", lautete sein Urteil. Durch den aufkommenden Tourismus nahm das Alpenmotiv damals an Beliebtheit zu. Doch Melzer kritisierte: "Die Feinmalerei ist nicht richtig gelungen." Und was wäre das Gemälde heute wert? "150 bis 160 Euro", schätzte der Kunstkenner.

Nicht relevant genug für eine Gemäldegalerie. Die Dessauer Museen gingen an diesem Tag leer aus. Dabei hätte es fast etwas Außergewöhnliches gegeben. "Wir hatten einen Hohlbein hier", sagte Melzer und lachte. "Der wäre gut 70 Millionen wert, jedenfalls wenn es kein Druck gewesen wäre."