Forum mit OB-Kandidaten in Dessau-Roßlau Forum mit OB-Kandidaten in Dessau-Roßlau: "Der Ruf unserer Stadt ist eine Katastrophe"

Dessau-Rosslau/MZ - ein Wort? „Ich brauche zwei.“ Stefan Exner (CDU) zögerte - und dann war die Chance vorbei. Sind Sie für eine Umbenennung der Stadt „Dessau-Roßlau“ in „Bauhausstadt Dessau“? Ganz am Ende hatte die Frage gestanden. „Ich werde den Masterplan Bauhausstadt umsetzen“, hielt sich Klemens Koschig einfach nicht an die Ein-Wort-Regel - und schloss mit diesem Satz nichts aus. „Nein“, sagte Peter Kuras und fügte schnell noch einen Satz hinzu: „In fünf Jahren Ja.“ Die Zuhörer klatschten amüsiert, so dass die restlichen Antworten kaum zu hören waren. Doch Karsten Lückemeyer, Andreas Mrosek, Ben Naumann und Uwe Jakob Weber sagten „Nein“.
Willerding fehlte kurzfristig
Es war das offizielle Ende des Wahlkampfauftakts in Dessau-Roßlau: In der Bauhaus-Aula trafen am Mittwoch erstmalig die bislang feststehenden OB-Kandidaten aufeinander. Zumindest sieben der acht. Stephan Willerding fehlte kurzfristig. Was anderes fehlte auch: genügend Stühle. Schon kurz nach 18 Uhr waren alle Plätze in der Bauhaus-Aula vergeben, musste Security die geschlossenen Türen sichern. Da auch nicht der Ton nach draußen übertragbar war, zogen viele enttäuscht, ja wütend ab.
Im Forum selbst ging es vor allem um das Selbstbild der Stadt, um die Außendarstellung und die Außenwahrnehmung, um Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung. Und es ging vor allem um die Frage, warum die Situation in Dessau ist, wie sie ist. „Der Ruf unserer Stadt im Land ist eine absolute Katastrophe. Da ist sechs Jahre hart daran gearbeitet worden“, kritisierte Exner - und musste sich kritische Nachfragen gefallen lassen, welchen Anteil er als Stadtratspräsident daran habe. „Ich habe keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Oberbürgermeister. Er ist Chef der Verwaltung“, versuchte sich Exner zu distanzieren - und bekam einen kleinen Konter von Amtsinhaber Klemens Koschig. „Er unterschreibt meinen Urlaubsantrag.“
Bürgernähe als Trumpf?
Koschig selbst präsentierte sich im Forum als Hauptverwaltungsbeamter mit zwei Jahrzehnten Erfahrung mit dem Trumpf Bürgernähe - und sah sich als „wichtigen Sicherheitsfaktor, dass Roßlau nicht herunterfällt“. Es brauche zwei Amtszeiten, die Fusion der beiden Städte zu vollenden.
„Es ist Zeit für einen Neuanfang“, hielt dem Peter Kuras entgegen. Der Dessauer Chef der Landesstraßenbaubehörde hatte sich erst Mitte März für eine Kandidatur entscheiden und beklagte die „Unzufriedenheit in der Stadt, die Zerstrittenheit an der Rathausspitze, zwischen Rat und Verwaltung“. Für Kuras stand fest: „Wenn wir so weitermachen, sind wir auf dem Weg in die landespolitische Bedeutungslosigkeit.“
Das Forum bot viele Fragen - und klare Regeln. Drei Minuten blieben pro Antwort. Nach zwei Minuten wurde eine Gelbe Karte hochgehalten, nach drei Minuten die Rote Karte. Das funktionierte. Trotz der Unterschiedlichkeit der Kandidaten. Da waren auf der einen Seite mit Stefan Exner, Klemens Koschig und Peter Kuras die Männer mit politischer Verwaltungserfahrung. Da waren aber auch die Herausforderer, die vor allem gegen Zweifel ankämpfen mussten, dass man ohne diese Erfahrung ein Rathaus mit über 1 400 Mitarbeitern leiten und führen kann.
„Ich sehe, wie Dessau-Roßlau sich entwickelt hat. Die Vororte wurden vernachlässigt. Wir sind kein wirtschaftsfreundlicher Standort“, sagte Andreas Mrosek von der Alternative für Deutschland - und forderte publikumswirksam die Absenkung der Gewerbesteuern und die prinzipielle Vergabe von Aufträgen innerhalb der Stadt. „Ich bin parteilos, unabhängig und unbefangen. Ich hinterfrage. Ich kann mich einarbeiten“, sagte Ben Naumann, der jüngste Kandidat in der Runde. „Hier sitzen Leute, die sich seit 25 Jahren auskennen: Wo wir sind, das ist keine Leistung. Die Stadt stagniert nicht, es findet einen Rückentwicklung statt.“
Auch Karsten Lückemeyer gab sich gelassen. „Ich habe keine Kontakte“, gab der Chef des Machtwort-Verlages zu. „Doch ich war immer Quereinsteiger. Ich sehe mich als Macher.“ An welchen Stellschrauben er drehen möchte? „Fragen Sie mich das in einem halben Jahr“, sagte Lückemeyer. Da aber ist die Wahl vorbei. Zur Belebung der Zerbster Straße schlug der als singender Trabi-Fahrer bekannte Künstler die Errichtung einer Elektrotankstelle vor. Die Lacher waren ihm sicher.
Fehlende Kultur des Miteinanders
Doch sonst ging es ernst zu. „Wir haben es nicht geschafft, zu einer politischen Kultur des Miteinanders zu finden“, sagte Oberbürgermeister Klemens Koschig - und kündigte einen zweiten Anlauf an. Mit einem neu zusammengesetzten Stadtrat. Ob er mehr auf einen anderen Stadtrat hoffe, als auf seine Durchsetzungskraft zu setzen? „Koschig ist, wie er ist.“
„Es gibt eine Doppelzüngigkeit in dieser Stadt“, sagte auch Uwe Jakob Weber, der als Sprecher der Initiative „Land braucht Stadt“ in den vergangenen Jahren mit vielen Stadträten zu tun hatte. „Wir brauchen eine neue Grundkultur.“ Gute Gedanken würden zu oft zerredet. „Wir verkaufen uns schlecht.“ Immerhin: Das war Konsens in der großen Runde.
Streit um Wirtschaftsförderung
„Es findet keine wirksame Wirtschaftsförderung in dieser Stadt statt. Selbst große Firmen werden nicht beachtet“, kritisierte Kuras. „Wir tun immer so, als ob in Deutschland die Investitionen vom Himmel fallen“, warnte Weber vor überzogenen Erwartungen. Eine Service-Orientierung der Stadtverwaltung forderte auch Exner und machte sich erneut für die Privatisierung der Wirtschaftsförderung stark. „Ich bin nicht hier, um die Stadt schlecht zu reden“, sagte Koschig und machte die Ansiedlung von mehr Forschung und Entwicklung zur Grundvoraussetzung, um mehr junge Leute in die Stadt zu holen.
Das ist wahrscheinlich das wichtigste Zukunftsthema im Dessau-Roßlauer Wahlkampf, der am 25. Mai mit der Oberbürgermeister-Wahl entschieden wird.

