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Fahrzeug-Legende Fahrzeug-Legende: Geliebte blaue Pappe

Von HAUKE HOFFMEISTER 29.04.2011, 17:38
Janine Weißflog und Robert Ehrl schwören auf ihre Trabis. (FOTO: HOFFMEISTER)
Janine Weißflog und Robert Ehrl schwören auf ihre Trabis. (FOTO: HOFFMEISTER) CARDO

DESSAU/MZ. - Heute vor genau 20 Jahren rollte der letzte Trabant vom Band. Auch junge Menschen mögen noch den Charme des Gefährts. An der Kreuzung zur Bahnhofsbrücke stand Robert Ehrl an der Ampel und wartete geduldig. Plötzlich kam auf der anderen Fahrspur rasant eine anderer Trabi angerauscht und erst unter der Ampel zum Halt. Zwei blaue Trabanten standen nebeneinander in der ersten Reihe an der Kreuzung. "Ich schaute in die blaue Pappe und sah ein hübsches Mäuschen drin sitzen und lächelte ihr zu", erzählt Robert Ehrl. Sie grinste zwar zurück. Doch während Ehrl die junge Frau noch musterte, bretterte sie davon.

Die ganze Kreuzung war blau von den Abgasen der beiden Trabis. "Die Frau ist mir aber den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen", erzählt der 21-Jährige. "Ich bin nach Kühnau gefahren, nach Kochstedt, nach Törten. Überall bin ich lang und hoffte, sie und ihre Pappe wiederzusehen."

Die Hoffnung hatte der junge Dessauer schon schon fast aufgegeben, da parkte er an der Museumskreuzung, um schnell einen Kontoauszug von der Bank zu holen. Als er die Bank verließ, traute er seinen Augen nicht: "Da stand die delphinblaue Pappe, die ich stundenlang in der Stadt gesucht hatte, unmittelbar vor meinem Trabant. Und in ihr saß die schöne Frau."

"Ich bin zufällig dort vorbeigefahren und habe die die blaue Pappe wiedergesehen, in der der Typ saß", erzählt die 22-jährige Janine Weisflog ihre Version des Kennenlernens. "Ich dachte mir, ich stelle mich da mal hin, und warte, bis der Typ herauskommt." Dann standen die beiden zwei Stunden lang an der Museumskreuzung und unterhielten sich - natürlich über Trabis und die Erlebnisse mit ihrer Pappe.

Eine solche Liebesgeschichte können nur noch wenige junge Menschen in der Stadt erzählen, denn heute vor genau 20 Jahren wurde der letzte Trabant zusammengesetzt. Insgesamt liefen seit 1957 in den Zwickauer Automobilwerken 3 051 385 Autos vom Band. Zugelassen sind heute noch etwa 35 000 Fahrzeuge in Deutschland.

Einen davon hat Janine Weisflog, die sich mit 19 Jahren einen delphinblauen Trabant, Baujahr 1978, kaufte. "Es ist ein ganz einfacher Trabi, den ich für 50 Euro bekommen habe." Günstig war er, da er einen Motorschaden hatte, der erst einmal behoben werden musste. "Wir reparierten ihn und holten aus ihm alles heraus, was ging", lacht sie. Der Trabi bringt es auf 130 Stundenkilometer auf der Autobahn - genug, damit Janine Weisflog mit ihm nach Stuttgart brausen kann. "Die Polizei hat mich dann tatsächlich noch geblitzt", sagt sie und schmunzelt. "Ich hätte 100 fahren dürfen und war mit 120 Sachen unterwegs."

Warum sollte es unbedingt diese Kiste sein? "Die schaut glücklich und zufrieden aus und vermittelt mir eine nette, gleich bleibende Freundlichkeit", antwortet die 22-Jährige. "Es ist ein friedvolles Auto - wobei ich es auch sehr bösartig fahren kann", erzählt sie weiter. An der Ampel ziehe sie vor jedem anderen Fahrzeug ab, "weil der Trabi kaum Gewicht hat. So schnell wie mein Trabi kommt kein modernes Auto in die Gänge", findet sie.

Robert Ehrl hingegen wollte sich einen Kindheitstraum nach bestandenem Abitur erfüllen: "Ein Kumpel und ich legten zusammen und wir kauften uns eine Pappe aus dem Baujahr 1989 für 300 Euro." Sie mussten neue Reifen aufziehen, bestanden den Tüv und fuhren dann nach Polen, durch Sachsen-Anhalt und an die Ostsee. Ehrl liebt die Sonntagsausflüge in seinem Trabant, den er vor jeder größeren Ausfahrt frisch poliert.