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Ehrenamt als Problem Ehrenamt als Problem: Politiker ignorieren Gölzauer Brief

Von Heidi Jürgens 16.01.2003, 19:51

Weißandt-Gölzau/MZ. - "Wenn gar nichts anderes hilft, wird man auch darüber nachdenken müssen, ob nicht Protestaktionen angebracht wären. Zum Beispiel dahin gehend, dass alle ehrenamtlich Tätigen gleichzeitig ihre Arbeit niederlegen. Allein im Bereich der Feuerwehr würde dann nichts mehr gegen." Stephan Bratek, Verwaltungsamtsleiter der VG Anhalt-Süd, der diese Überlegung anstellt, ist sichtlich enttäuscht.

Politikern und übergeordneten Verwaltungen, so seine jüngsten Erfahrungen, sei das Problem, das bei der Neuregelung der Anrechnung von Entschädigungen auf Leistungen des Arbeitsamtes entstanden ist, offensichtlich ziemlich egal.

Als sich im Herbst vergangenen Jahres herausgestellt hatte, dass die neue gesetzliche Regelung vom Mai zum Beispiel arbeitslos gemeldete ehrenamtliche Bürgermeister um ihre Arbeitslosenhilfe bringt, wurde man in vielen Kommunen aufgeschreckt. Jeder, der in seinem Ehrenamt mehr als 154 Euro im Monat erhält - so wurde auf einen Schlag erst einmal so richtig klar - verliert den Anspruch auf Leistungen des Arbeitsamtes und muss sich zudem privat versichern.

"Das kann nicht sein", waren sich auch die Bürgermeister der VG Anhalt-Süd einig, die wie viele andere befürchten, dass Betroffene aus diesem Grund über kurz oder lang ihre ehrenamtliche Arbeit einstellen müssten, um nicht ins finanzielle Nichts zu fallen. Und deren Zahl ist nicht gering.

Das Thema wurde im Kreistag angesprochen, es gab Beratungen mit dem Landrat, und schließlich verfassten die Bürgermeister der VG Anhalt-Süd ein Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, in dem das Problem benannt und darum gebeten wird, die neue "Festlegung in der Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen vom 24. Mai 2002 neu zu überdenken."

Begründet wurde das unter anderem so: "Einerseits sind die Bürger/innen des Landes Sachsen-Anhalt im Rahmen vergleichbarer Regelungen auch anderer Bundesländer verpflichtet, eine ehrenamtliche Tätigkeit zu übernehmen und auszuüben, andererseits werden sie für dieses Engagement durch die vorliegende Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen (...) bestraft. Dabei wird (...) das (...) Verbot der Benachteiligung von ehrenamtlich tätigen Bürger/innen missachtet."

Das Schreiben datiert vom 18. November, bis heute, so Stephan Bratek, ist in Weißandt-Gölzau keine Antwort eingegangen. "Nicht mal eine Eingangsbestätigung", so der Amtschef enttäuscht. "Offensichtlich ist das Thema nicht wichtig genug", vermutet er. Doch den Gemeinden brenne es auf den Nägeln, deshalb wolle und könne man sich nicht so einfach damit abfinden.

"Zu nächsten VG-Ausschusssitzung werden wir wieder darüber sprechen, es wird noch eine Beratung mit dem Landrat geben, und wir werden auch noch mal an den Städte- und Gemeindebund herantreten." Letztes Mittel seien dann Protestaktionen. "Vielleicht", so Bratek, "sollte man den Tag des Ehrenamtes gleich mit ausfallen lassen - der wäre unter diesen Gesichtspunkten ohnehin ein Hohn."