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Dessauer auf der Suche nach Ahnen

Von Grit Lichtblau 02.03.2008, 18:30

Dessau/MZ. - Die drei Damen an seiner Seite blicken interessiert, hören aufmerksam zu. Sturm und Regen konnten sie am Sonnabend nicht abhalten, den Tag der offenen Archive für einen Besuch im Stadtarchiv zu nutzen. Mehr als 50 Interessenten kamen.

Das Archiv sei das Gedächtnis der Stadt, sagt eine Mitarbeiterin und gewährt einen Blick in die meterlangen Rollregale, in denen unzählige spezielle Archivkartons mit Unterlagen aus mehreren Jahrhunderten lagern. Der Leiter der Einrichtung, Frank Kreißler, öffnet eine Metallschublade, holt vorsichtig ein vergilbtes Blatt heraus. Es ist das älteste Stück des Archivs, stammt aus dem Jahr 1336 und regelt die Besitzverhältnisse eines Dessauer Kaufhauses. Für erstaunte Blicke bei den Besuchern sorgt auch ein Gästebuch mit dem Eintrag von Wilhelm Pieck.

In der obersten Etage des Hauses informiert indes eine kleine Ausstellung über das 50-jährige Jubiläum des Dessauer Tierparks, erinnert die Besucher an jene Zeit als noch ein Flugzeug zur Attraktion des Parks gehörte. Was nicht jedem gefiel, wie zahlreiche schriftliche Beschwerden deutlich machen, unter anderem auch vom Berliner Tierparkchef Dathe. Zur Verwunderung einiger Gäste dokumentiert die Exposition auch die kurze Geschichte des Roßlauer Tierparks in den 50er Jahren am Schlossgarten. Ausstellung bis Mai

Die Ausstellung, die mit einem Zeitzeugenfilm über die Bären im Tierpark ergänzt wird, ist bis Mai zu den Öffnungszeiten des Stadtarchivs für Jedermann zugänglich. Wie auch sonst das Stadtarchiv für Geschichtsinteressierte offen steht. 1 000 bis 1 500 Benutzungen jährlich verzeichnet Archivchef Kreißler. Tendenz steigend. Zusätzlich gebe es rund 2 000 schriftlich und mehr als 4 000 mündliche Anfragen. "Immer mehr Menschen besinnen sich offenbar auf ihre Vorfahren und betreiben Ahnenforschung".

Auch Günter Preckel beschäftigt sich in seiner Archivarbeit zunehmend mit der Suche nach familiären Verbindungen. Der Mann mit dem langen Bart steht in dem kleinen Zimmer der Pauluskirche und beantwortet geduldig alle Fragen der Besucher, während sich vor dem Fenster die Bäume bedrohlich im Wind wiegen.

Im Archiv der Evangelischen Landeskirche Anhalts lagert ein Großteil der erhalten gebliebenen Kirchenbücher Anhalts und der Stadt Dessau. Insgesamt 1 200 Bände voll mit Taufen und Geburten. Hinzu kommen etwa 20 000 Bücher. Als besonderes Exemplar hat Günter Preckel an diesem Tag ein Taufbuch herausgeholt, das als einen Eintrag unter vielen Geburt und Taufe von Fürst Franz erwähnt. Geboren am 10. August 1740 drei Uhr früh und getauft am 13. August nach drei Uhr, ist da nachzulesen. Für Maria und Walter Hobohm interessante Details: "Vor allem zu sehen, wie akribisch das eingetragen wurde und mit welch schöner Handschrift, das ist doch sehr interessant". Beide nutzten den Tag der offen Archive, um sich zunächst im Landeshauptarchiv, später dann in der Pauluskirche über Archivalien zu informieren.

Hermann Schuster betritt den kleinen Raum mit der Wand voller Bücher und der prachtvollen Bibel in der Übersetzung von Martin Luther aus dem Jahr 1665. Er ist auf der Suche nach seinem Großvater, von dem er lediglich weiß, dass er in Serno geboren wurde. Doch ausgerechnet diese Kirchenbücher lagern nicht in Dessau. Archivar Preckel gibt ihm einen Tipp, wo das Buch aus Serno liegen könnte.

Dank aus Neuseeland

Längst hat es sich herumgesprochen, dass das Archiv der evangelischen Landeskirche ein wichtiger Anlaufpunkt für die Suche nach der familiären Vergangenheit geworden ist. 800 bis 900 Anfragen gebe es jährlich, sagt Preckel. Auch hier ist die Tendenz steigend. Inzwischen habe er Anfragen aus Neuseeland und Island gehabt. Er zeigt auf einen Kalender, den er als Dank aus Neuseeland erhalten hat. Mehr als 1 000 Menschen habe er bisher geholfen, ihre Ahnen zu suchen, schätzt Preckel. Nach seinen eigenen Vorfahren habe er bislang noch nicht geforscht. Aber irgendwann wolle er auch das tun, hat er sich vorgenommen. Schließlich ist niemand so dicht an den Quellen wie er.