1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Dessau-Roßlau: Dessau-Roßlau: Schlosshexen kehren immer wieder zurück

EIL

Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Schlosshexen kehren immer wieder zurück

Von ANETTE GENS 09.06.2011, 19:58

MOSIGKAU/MZ. - Früher huschten hier zarte Schritte über die altehrwürdige Holztreppe. Ständig ging es für die jungen Mädchen, die im Schloss Mosigkau eine Ausbildung zur Kindergärtnerin erhielten, auf und ab. Es war zu einer Zeit, als das Schloss Mosigkau schon ein staatliches Museum war. Bis 1957 teilten sich mehrere Nutzer die einstige Sommerresidenz der Anna Wilhelmine von Anhalt Dessau (1715 - 1780). Und die Schlosshexen, wie sich die jungen Mädchen selbst nannten, gehörten dazu - und kommen immer wieder. Zuletzt am 5. Mai 2011, als 17 von ihnen anlässlich eines Klassentreffens des Kindergärtnerinnen-Internats das Schloss besucht und Erinnerungen aufgefrischt haben.

Im Schloss Mosigkau wurde heute vor 60 Jahren ein Museum eröffnet, das im Laufe der Jahrzehnte erweitert und vervollkommnet wurde. Vor diesem Neuanfang lag viel Arbeit. Das im Zweiten Weltkrieg durch drei Artillerievolltreffer beschädigte Schlossgebäude musste wiederhergerichtet werden. Der Stuck im Gartensaal hatte gelitten, da diese Räumlichkeiten während des Krieges als Getreidesilo genutzt wurden. Der Park war - bedingt durch den Umstand, dass die Schlossanlage 1945 Hauptquartier eines US-Stabes war - durch amerikanische Panzer verwüstet. Vor den Akteuren um den ersten Mosigkauer Museumsdirektor Walter Pflug lag darüber hinaus die Aufgabe, die während des Krieges ausgelagerten Kunstschätze zurückzuführen und deren Restaurierung zu veranlassen, nachdem das Haus Ende der 40er Jahre ein Jahr lang der 1945 heimatlos gewordenen Dessauer Gemäldegalerie Unterkunft gewährt hatte.

Zum 50. Jahrestag erinnerte die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz mit zahlreichen Veranstaltungen an die Museumsgründung. Schloss Mosigkau war in den fünf Jahrzehnten Kulisse für einige Filmproduktionen, die zum Jubiläum aus den Archiven geholt wurden. "Serviert" wurden musikalisch-kulinarische Führungen. Die Besucher konnten die zur Anlage gehörende Restaurierungswerkstatt besichtigen.

Das Geburtstagsgeschenk zum 60. sah anders aus: Denn seit Beginn der Saison zeigt sich das Schlossmuseum von einer neuen Seite. Durch die Erschließung zweier bisher unzugänglicher Räume ist das Leben in der Sommerresidenz zu Zeiten seiner Herrscherin jetzt fast vollständig nachvollziehbar. "Wir haben seit Bestehen des Museums die größte Umstellung vorgenommen", wertet Wolfgang Savelsberg von der Dessau-Wörlitzer Kulturstiftung die Arbeit im Winterhalbjahr. Wer sich jetzt durch das Museum führen lässt, erhält Einblicke in das Hofzeremoniell, wie es zu Zeiten der Lieblingstochter des Alten Dessauer gepflegt worden ist. Zum "Geburtstag" veröffentlicht die Kulturstiftung zudem einige Fotos, die die Veränderungen im Schloss im Laufe der Jahrzehnte belegen und auch einige Bausünden offen legen. Das so genannte Braune Kabinett erhielt in den 60er Jahren einen grau-weißen Anstrich, um Verschleiß und Altersspuren zu verdecken.

"Man tat dies wider besseren Wissens der konkreten Situation in Mosigkau, aber mit dem guten Gewissen, einer allgemeinen Stil-Tendenz zu farbig gefassten Holzverkleidungen zu entsprechen", begründete Reinhard Melzer von der Kulturstiftung diesen Schritt aus der Distanz von drei Jahrzehnten. Das Kabinett war Anfang der 90er Jahre erneut rekonstruiert und die durch Anobienbefall geschädigte Holzvertäfelung saniert worden.

Mit den jüngsten Veränderungen wird das Braune Kabinett jetzt auch Grand Kabinett genannt, dem sich ein weiteres Highlight anschließt. Das "gelbe-versilberte Kabinett" (jetzt "petit Kabinett") war sowohl der private als auch der Gesellschaftsbereich der Prinzessin. Es erinnert an das kleine Voltaire-Zimmer im Potsdamer Schloss Sanssouci. Die Schlossanlage in Mosigkau wird deshalb auch liebevoll als kleines Sanssouci bezeichnet. Das Haus zählt zu den letzten weitgehend erhaltenen Rokokoensembles Mitteldeutschlands.