Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Kleines Fernsehspiel auf den Spuren einer Kriegerin
Dessau-Roßlau/MZ. - Kurz vor Beginn des Herbstes gibt sich der Himmel redlich Mühe, Hochsommer zu simulieren. Die Sonne scheint kräftig, wird nur ab und zu ausgeblendet von vorbeiziehenden Wolken. Das über Reflektoren verstärkte Licht und die freien Oberkörper von zwei jungen Männern verstärken die Sommerillusion.
Gelassenheit am Set
"Wir hatten ein wenig Pech mit dem Wetter", sagt David Falko Wnendt. Er ist Regisseur, hat an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF) studiert und dreht seit fünf Wochen seinen Diplomfilm. "Kriegerin" heißt der. Das Drehbuch stammt von Wnendt selbst. Es erzählt die Geschichte der 20-jährigen Marisa, die als Neonazi "durch ihre Welt rast wie ein offenes Rasiermesser", schreibt die Produktionsfirma. Solche Sätze kann man immer noch streichen, bevor der Film startet, der ein "klassischer Arthouse-Film" sei, wie Producer René Frotscher betont.
Als der Mopedmotor einfach ausgeht, fluchen einige kurz und still, weil Szene 16 / 1 B nichts geworden ist und die Zeit anfängt zu drängen. Immer wieder hatte man den Dreh vorm Sollnitzer Ortseingang unterbrechen müssen, wenn gerade einmal wieder eine Wolke an der Sonne träge vorbei driftete. Dennoch ist die Stimmung eher gelassen. Selbst die von Frotscher eingeladenen und recht zahlreich gekommenen Presseleute werden hingenommen - man kennt nervösere Drehs. Das Miteinander hat Gründe: Zehn oder elf der Beteiligten kommen von der HFF, für vier von ihnen ist es die Diplomarbeit.
"Kriegerin" wird produziert von Mafilm, einer kleineren, vorwiegend fürs Fernsehen arbeitenden Firma. Als Koproduzent ist das ZDF mit dem "Kleinen Fernsehspiel" dabei. Wird also "Kriegerin" ein Fernsehfilm, der auch in Kinos gezeigt wird? Frotscher verneint vehement. "Das kleine Fernsehspiel ist ein geiles Format", und das sage er nicht nur der politischen Korrektheit halber. "Wir haben alle Freiheiten. Wir drehen in Cinemascope", was nun wahrlich kein Fernsehformat darstellt. Vor allem nehme sich die Redaktion Zeit, Regisseure aufzubauen, schwärmt Frotscher. Als kleines Fernsehspiel liefen Michael Schorrs "Schultze Gets the Blues" und Benjamin Heisenbergs "Schläfer".
Seit zwei Stunden sitzt Gerdy Zint in der Maske. Im Film spielt er Sandro, Marisas Freund. Jana Schulze legt eine Folienmaske auf Zints Brust, ein paar Farbstöße aus der Air-Brush-Pistole reichen, um Hitlers Konterfei entstehen zu lassen. Zint trägt so viele Nazi-Symbole am Hals und am Oberkörper, dass er selbst schon als verfassungsfeindliches Symbol durchgehen könnte. Was da auf seiner Hand stehe, erkundigt sich der Fotograf. "Wotan", sagt Zint, "das ist irgendein Code." "World of the Arian Nation", klärt Jana Schulze auf.
Für den Dreh in Sollnitz hat das Filmteam sein Lager auf dem Gelände eines Landwirtschaftsbetriebes aufgeschlagen. Aus einem offenen Stall beobachten die Tier das Treiben mit mäßigem Interesse. Es geht auf 17.30 Uhr zu, Zeit fürs "Mittagessen". So steht es im Drehplan. Ein bisschen merkwürdig sei das schon, gibt Frotscher zu, aber schließlich habe man erst am Mittag mit dem Dreh begonnen.
Aggressive Rolle für Levshin
Alina Levshin, die Marisa im Film, reist in der letzten Szene vor der Pause die Tür eines Autos auf und brüllt die Insassen an. "Haste die gesehen? Wo sind die hin?" Levshin ist 26, eine zierliche Frau. Sie gab eine Zwangsprostituierte in Dominik Grafs "Im Angesicht des Verbrechens", sie war im Theater unter anderem als Katharina in "Der Widerspenstigen Zähmung" zu sehen. Nur solch eine aggressive Rolle wie die der Marisa habe sie noch nie gespielt.
David, der Regisseur, habe sie unter anderen mit einer jungen Frau aus der rechten Szene bekannt gemacht. Und manchmal, sagt sie, könne sie die Leute verstehen. Um sich dann gleich zu fragen: Mein Gott, was kann man machen, damit die da rauskommen?