1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Dessau-Roßlau: Dessau-Roßlau: Generationen ackern für Nachwelt

Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Generationen ackern für Nachwelt

Von SILVIA BÜRKMANN 17.04.2011, 17:29

KLEINKÜHNAU/MZ. - Der Tag kann besser kaum gewählt sein. Ein wechselhafter April zeigt sich seit den ersten Stunden in bester Laune, die Sonne kitzelt die Wochenendschläfer wach. Und nach dem Frühstück ist kein Halten mehr: Jetzt geht's raus! Arbeitskluft angetan, Spaten und Harke geschultert, die Gießkannen zur Hand. Die gut 120 Männer, Frauen und Kinder aus Kleinkühnau freilich zieht am Samstag nicht der Schrebergarten oder der Hausgarten wie magisch an. Für sie geht's auf die Schäferberge am Vorwerk.

Die Pflanzaktion dort hatte sich schon seit langem im Ort herumgesprochen. Wie auch die 300-Jahr-Feier für den Ort von langer Hand vorbereitet wird. Über das Pfingstfest von 10 bis 12. Juni nämlich will sich die Ortschaft als "Ein starkes Stück Dessau" feiern. Die Programmhöhepunkte im Technikmuseum "Hugo Junkers", auf dem Verkehrslandeplatz und beim "Historischen Fest" auf der Hauptstraße sind längst abgesteckt. Kleinkühnau will mit Gästen aus nah und fern gründlich feiern. "Aber nicht nur das", nimmt sich Ortsbürgermeister Ralf Schönemann Zeit für ein kleines Einsatz-Päuschen und klettert auf die Hügelkuppe der Schäferberge. Von dem Fest soll mehr bleiben als die Erinnerung an eine gehörige Sause. Kleinkühnau setzt auf Nachhaltigkeit. "Auch die Kinder und nachfolgenden Generationen sollen etwas von der 300-Jahr-Feier haben."

Was also kann der Mensch von heute dafür tun? Ein Dichterwort in die Tat umsetzen. Und einen Baum pflanzen. Kleinkühnau wandelt das Wort und spricht bescheiden von "Gehölzen". 1 648 Stück von denen sollen auf den Schäferbergen ihre Wurzeln schlagen; exakt die Anzahl der Einwohner, die der Ort im Westen Dessaus im 300. Jahr seiner Ersterwähnung unter seinen Dächern zählt.

Der Landschaftszug an der Südflanke der Ortschaft war im vorigen Jahrhundert im Gefolge vom Flugplatzbau entstanden und grenzt heute an die Flächen des Gewerbegebietes An der Alten Landebahn. Jahrzehntelang einzig genutzt und bewirtschaftet über die Schafherden, quasi wie es der Name sagt.

Die Revitalisierung der rund 500 Meter langen und 50 Meter breiten Landzunge gehört zu den Planungen im städtischen Grünflächenamt und ist im Ortschaftsrat mit Ideen unterfüttert worden. Im Frühjahr 2010 bereits hatte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) signalisiert, Pflanzgut beizusteuern zu können. Nach den umfangreichen Deichbauvorhaben übernimmt der Landesbetrieb Ausgleichspflanzungen im gesamten Stadtgebiet, von denen nun auch ein Teil Kleinkühnau zugute kommt. Der Ortschaftsrat weiß es zu danken, rückt mit fünf Mitgliedern und damit zu beinah 100-prozentiger Vollzähligkeit am Sonnabend an zum Arbeitseinsatz.

Weitere Mittel werden über "Baumpatenschaften" eingeworben. Diese Spendensammlung - pro Gehölz wird mit fünf Euro gerechnet - koordiniert der örtliche Heimatverein. Auf der Internetpräsentation wird künftig auch ersichtlich, wo der "Baum X vom Paten Y" angepflanzt wird. Seit dem Auftakt zum Frühlingsbeginn vor drei Wochen konnten fast 150 Teilnehmer gewonnen werden. Die Idee kommt an, freut sich der Ortsbürgermeister. Sachkundige Hilfe leistet die Firma Galabau, die für die Neuanpflanzungen mit dem LHW einen Pflegevertrag abgeschlossen hat.

Die Fachleute sind auch am Sonnabend vor Ort. "Gruben ausheben, Boden verbessern, Gehölze setzen, wässern und abmulchen", geben Vorarbeiter Andreas Sadowski und Facharbeiter Maik Bunge die Arbeitsrichtungen vor. Angelegt werden zehn kleinere Pflanzflächen (à 18 Quadratmeter) und eine große mit 70 Quadratmetern. Gesetzt werden Weißdorn, Hartriegel, Wildrosen und Weiden, auf dem größeren Areal kommen noch vier Eichenbäumchen dazu.

Dass sie wachsen und gedeihen, verlangt nunmehr Obacht. "Wir gießen unsere Pflanzen," macht sich Familie Richter freiwillig zum "Wasserträger". Die ist aus der angrenzenden Lobenbreite gleich mit drei Generationen zur Pflanzaktion angetreten: Opa Willi (74), Sohn Bernd (49) und Enkel Erik (11) rücken mit der Gießkanne an. "Es wurde jetzt auch Zeit, dass die Gehölze in die Erde kamen", weiß Senior Willi, der vor 51 Jahren nach Kleinkühnau zog und mit Gartenarbeiten sein Leben lang zu tun hatte. "Davon haben wir nach dem Krieg ja schließlich gelebt."

Um dem grünen Baum- und Strauchwerk den Start zu erleichtern, ist der Landschaftszug Schäferberge künftig mit Quarantäne belegt: Natürlich für die Schafe.